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Grüne klagen gegen Julian Reichelt – und beide sehen sich als Sieger


Streit um Verein "PolizeiGrün"
Grüne gegen Reichelt: Gericht gibt beiden Recht


Aktualisiert am 11.04.2024Lesedauer: 4 Min.
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Grüne gegen Reichelt: Die Partei hat das Portal um den früheren "Bild"-Chefredakteur Julian Reichelt wegen Behauptungen über eine parteiinterne Polizei abgemahnt.Vergrößern des Bildes
Grüne gegen Reichelt: Die Partei hat das Portal um den früheren "Bild"-Chefredakteur wegen Behauptungen über eine parteiinterne Polizei abgemahnt. (Quelle: Montage: Aßmann, t-online/imago-images-bilder)

Julian Reichelt führt einen Feldzug gegen die Grünen. Bei Beiträgen über einen Verein "PolizeiGrün" ging der frühere Bild-Chef dabei zu weit. Andere Aussagen werden Leser hingegen schon einordnen, fand ein Gericht.

Julian Reichelt unterstellte den Grünen mit seinem krawalligen Portal "nius.de" eine eigene Polizei für ihre Zwecke. Die Grünen wollten sich das nicht gefallen lassen, mahnten erst ab und zogen dann gegen Reichelt vor Gericht. Jetzt gibt es eine Entscheidung: Reichelt muss Aussagen ändern und auch einen Beitrag löschen. Weil andere Aussagen nicht untersagt wurden, spricht er dennoch von einem Sieg für die Pressefreiheit.

Reichelts Themen kreisen ständig um die Grünen, die für den früheren Bild-Chefredakteur fast Hassobjekt sind. Nach Ansicht des Landgerichts Hamburg hat er mit Beiträgen über den Verein "PolizeiGrün" einen falschen Eindruck erweckt und darf das so nicht länger. Es geht um eine Reihe von Äußerungen, die allesamt suggerieren, dass der Verein "PolizeiGrün" im Auftrag der Partei tätig ist. Reichelt wird die Beiträge anpassen müssen.

Falschbehauptung über Büros in Parteizentrale

Unter anderem die Überschrift "Grüne Polizei will sich um Reichelt 'kümmern'" wird bemängelt, weil sie zu dem falschen Schluss führe. Diverse Formulierungen, in denen er von "Polizisten der Grünen Partei" oder "Polizei der Grünen" spricht, sind demnach so nicht zulässig. Das geht aus der einstweiligen Verfügung des Gerichts hervor. Der Beschluss liegt t-online vor. Das Gericht sah Eilbedürftigkeit, weil Rechte der Grünen durch die Berichterstattung weiter verletzt seien.

Konkret muss Reichelt auch die Falschbehauptung tilgen, dass die Büros der "PolizeiGrün" im Gebäude der Parteizentrale der Grünen seien. Er hatte gesagt, das sei "natürlich furchterregend und verstößt vollkommen offenkundig gegen das Neutralitätsgebot der Polizei". Nicht stehen bleiben darf so auch ein Tweet auf X, in dem Reichelt schrieb: "Die Grünen bauen in der Parteizentrale ihre eigene Polizei auf". In dem Posting gebe es keinen Kontext, der Lesern helfe, den Inhalt richtig zu verstehen. Das sei im Video und im Text anders.

Mit Video oder Text werde für den unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittsleser klar: Gemeint ist mit der Formulierung nicht, dass die Grünen wirklich eine "richtige" Vollzugspolizei mit entsprechenden hoheitlichen Befugnissen aufbauen wollen, so etwas befürworten oder dulden.

Vielmehr gehe es um einen eingetragenen Verein ohne solche Befugnisse, in dem sich Polizistinnen und Polizisten mit Nähe zu den Grünen zusammengeschlossen haben. Tatsächlich gab es zumindest in sozialen Netzwerken viele Reaktionen von Nutzern, die das Thema anders verstanden hatten.

Polizei ist nicht gleich Polizei

Das Gericht befand aber: Weil der Leser des Textes oder Zuschauer beim Begriff Polizei nicht von der Institution im hoheitlichen Sinne ausgehe, darf Reichelt sagen, dass sich die Grünen "eine eigene Polizei aufbauen". Er darf sogar weiter behaupten, die Grünen bauten sich "in ihrem Hauptquartier eine eigene Einschüchterungstruppe aus treu ergebenen Polizeibeamten auf, die auch noch unter dem Namen 'Polizei' auftreten". Schließlich spreche er von einem "digitale(n) Schlägertrupp", womit klar sei, dass es nur um Auftreten im Netz gehe.

Diese Aussagen hatten die Grünen ihm auch untersagen wollen, sie seien aber eine "zulässige, wertende Meinungsäußerung", so das Gericht. "Polizei" beziehe sich schließlich auf den Zusammenschluss von Personen, der sich selbst als "PolizeiGrün e.V." bezeichnet. Was "aufbauen" bedeute, sei ein unscharfer Begriff. Reichelt könne das sagen, weil der Verein unstreitig die Grünen-Geschäftsstelle als Postadresse nutzen darf und dort schon einen Empfang mit einem Grußwort von Ricarda Lang durchführen konnte.

In einer von Reichelt verbreiteten Pressemitteilung heißt es, die Grünen hätten eine "Klatsche vor Gericht" erlitten. Emily Büning, Politische Geschäftsführerin der Grünen, hatte auf X erklärt, man habe im Kampf gegen Falschbehauptungen von Reichelt in weiten Teilen Recht bekommen.

Kein klarer Sieger

Der Beschluss des Gerichts zur Kostenteilung spricht dafür, dass die Richter keinen klaren Sieger gekürt haben. Die Grünen als Antragsteller müssen die Hälfte der Kosten des Verfahrens und ihrer außergerichtlichen Kosten tragen, Reichelt und Vius SE, die Firma hinter "nius.de", müssen hier 30 bzw. 20 Prozent übernehmen. Seine außergerichtlichen Kosten erhält Reichelt zu 40 Prozent von den Grünen zurück, Vius diese Kosten zu 60 Prozent. Beide Seiten können noch Rechtsmittel gegen die Entscheidung einlegen.

Berichterstattung des Portals beschäftigt einige Anwälte. Zuletzt sind DFB und Nationalspieler Antonio Rüdiger gegen "nius.de" vorgegangen. Unlängst hatte ein Gericht auf ein Zwangsgeld entschieden, weil beanstandete Berichterstattung nicht wie vom Gericht vorgegeben geändert wurde.

Nach mehreren Beschwerden wegen Verstößen gegen die journalistische Sorgfaltspflicht läuft bei der Medienanstalt Berlin-Brandenburg auch eine Prüfung. Dabei geht es nicht um die politische Ausrichtung. Frank Gotthardt, Gesundheitsdaten-Milliardär und nius-Investor, hatte unlängst erklärt, "nius" sei "sicher nicht" in der Mitte. "Die neue Mitte ist ja links, insofern müssen wir rechts von der Mitte sein." "Nius" solle einen Gegenpol darstellen, "in einem heute noch unterbelichteten Bereich". Dabei geht es dann ständig gegen die Grünen.

Verwendete Quellen
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