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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Experte gibt Tipps zur Altersvorsorge Vorbild Schweden: Investieren Sie langfristig
Die Rente ist sicher – oder nicht? Investitionen in die richtigen Wertpapiere sind entscheidend für eine gute Altersvorsorge. Ein Finanzexperte gibt Tipps.
"Die Rente ist sicher" – diesen Satz hat der frühere Arbeitsminister Norbert Blüm zwar nie gesagt, aber in leicht abgewandelter Form geklebt: an eine Litfaßsäule im Wahlkampf 1986. Heute wissen wir: Die Rente mag zwar sicher sein, aber die Rentenhöhe ist es nicht. Andere Länder, allen voran Norwegen und Schweden, machen es besser.
Die Gründe für das deutsche Rentenproblem sind vielfältig. Der Hauptgrund ist die alternde Bevölkerung. Während die Babyboomer scharenweise in den Ruhestand gehen, rücken weniger Menschen in den Arbeitsmarkt nach. Die Folge: Immer weniger Einzahler müssen immer mehr Rentner finanzieren. Die Bundesregierung plant zwar das Generationenkapital, um das System zu stützen, doch reicht das?
t-online hat darüber mit dem Finanzexperten und Vorstand des Onlinebrokers Smartbroker, Thomas Soltau, gesprochen. Er sagt: Damit die heute Erwerbstätigen im Alter nicht arm sind, sei private Vorsorge weiter unerlässlich, und er gibt Tipps, wie das am besten funktioniert – ganz nach dem Vorbild skandinavischer Länder.
Ist das Generationenkapital die Rettung der deutschen Rente?
Zumindest nicht kurzfristig. Bis die deutschen Rentner vom Generationenkapital profitieren können, werden wohl noch einige Jahre vergehen. Denn die Ampelkoalition will zunächst mit nur 12 Milliarden Euro starten, die an der Börse in Aktien, Anleihen, Rohstoffen und Rentenfonds anlegt werden könnten. Bis 2035 sollen 200 Milliarden Euro zur Verfügung stehen.
Zum Vergleich: Das Vermögen des norwegischen Staatsfonds summiert sich schon heute auf 1,182 Billionen Euro. Er wurde bereits 1996 gegründet, ist an etwa 9.300 Unternehmen weltweit beteiligt und besitzt 1,5 Prozent aller börsennotierten Aktien. Seine Aufgabe ist es, die Ausgaben des norwegischen Sozialstaates für künftige Generationen zu finanzieren – bisher mit durchschnittlich 9,4 Prozent Rendite pro Jahr.
"Auch wenn es gut ist, dass wir das Thema endlich angehen: Bislang ist das Generationenkapital nur ein Tropfen auf den heißen Stein", sagt Soltau. "Bis sich eine ausreichende Kapitaldecke bildet, sollte sich niemand auf das Generationenkapital verlassen."
Müssen die Deutschen also selbst zu Investoren werden?
Ja, sagt Soltau, im Prinzip müssten die Deutschen langfristige Investoren werden und ihr Geld so anlegen, als würden sie es in einen staatlichen Rentenfonds einzahlen – nur dass sie das eben privat tun. Der Finanzexperte glaubt, dass zumindest ein Teil der deutschen Bevölkerung verstanden habe, dass private Altersvorsorge viel wichtiger als früher sei.
Viele Anleger seien langfristig unterwegs und investierten in ETF-Sparpläne. Damit legt man regelmäßig Geld in Wertpapiere an. "Andere wiederum nutzen Neobroker und deren Apps, um ständig Aktien zu kaufen und zu verkaufen. Eine hohe Aktivität nützt vermutlich den Brokern mehr als den Anlegern, da jede Transaktion Geld kostet, auch wenn ein Trade mit nur einem Euro billig erscheint", sagt Soltau, selbst Chef eines Neobrokers. "Viele Studien zeigen, dass aktive Privatkunden im Durchschnitt schlechter abschneiden als der Markt."
Zahlt sich langfristiges Geldanlegen aus?
Kurzfristiges Handeln mit Wertpapieren wie Aktien, Fonds oder Anleihen sieht er kritisch. "Wer für einen Euro oder sogar kostenfrei eine Order platziert, wird häufig dazu verleitet, seinen Emotionen zu folgen." Dabei zahle sich erst eine langfristige Strategie aus. Der Blick auf die letzten Aktionärszahlen zeigt, dass die Hoffnung auf das schnelle Geld auch den Brokern schadet: Rund 550.000 Anleger der jüngeren Generation sind dem Markt nach rasanten Kursanstiegen in den Jahren 2020 und 2021 wieder verloren gegangen.
"Viele haben sich die Finger verbrannt, weil sie hin und her gezockt und die falschen Werte gekauft haben", so Soltau weiter. Niedrige Markteintrittsbarrieren der Neobroker brächten zwar einerseits viele Menschen in den Markt, andererseits verleiteten sie zu hoher Aktivität und Risikobereitschaft – und genau die brauche es langfristig nicht.
Darum sollten Sie sich realistische Ziele setzen
Ist wenig Vermögen vorhanden, haben viele Anleger oft den Wunsch, an der Börse mit riskanteren Produkten zu handeln, die höhere Renditen versprechen. Meistens erzielen Sie damit aber genau das Gegenteil. "Der Druck, in kurzer Zeit möglichst viel Geld zu erwirtschaften, führt zu leichtsinnigen Entscheidungen und zu Fehlern", warnt Soltau. Die Hoffnung auf das schnelle Geld an der Börse sei nie ein guter Ratgeber.
Kein Anleger solle erwarten, dass durch den Kauf von Aktien oder Fonds die Waschmaschine oder die Weltreise im nächsten Jahr finanziert sei. "Kommt es zu einem Crash, anhaltend sinkenden Kursen oder zu geopolitischen Verwerfungen, müssten Sie im schlechtesten Fall mit Verlust verkaufen, nur weil gerade die Waschmaschine auf Ihrer Einkaufsliste steht."
Lieber Einzelaktien oder Fonds?
Nach Ansicht des Finanzexperten ergibt es keinen Sinn, mit einem Gesamtvermögen von 500 oder 1.000 Euro Einzelaktien zu kaufen. Zwar könne sich eine Einzelaktie besser entwickeln als der Gesamtmarkt, so Soltau. Aber die Rendite errechne sich aus der Performance aller Wertpapiere in einem Depot – ganz ähnlich wie im norwegischen oder schwedischen Modell.
"Sollte das Geld an der Börse investiert werden, dann rate ich eher zu Fonds oder ETF-Sparplänen", sagt Soltau. Denn: Mit Fonds und ETFs investieren Sie auf einen Schlag in Hunderte Unternehmen. Profis nennen das eine starke Diversifizierung. Dadurch sinkt das Risiko. Denn während eine Einzelaktie zum Totalverlust werden kann, ist das bei einem breit gestreuten ETF, in dem diese Aktie nur einen kleinen Prozentteil ausmacht, weniger wahrscheinlich.
Sind nur die anderen an der Börse erfolgreich?
"Das stimmt nicht", sagt Soltau. Menschen erinnern sich sehr stark an die guten Anlageentscheidungen und die Investments mit den höchsten Gewinnen. "Auch in Foren feiern die Leute, wenn sie einen Tenbagger, einen sogenannten Verzehnfacher, in ihrem Depot haben", weiß Soltau zu berichten. "Mit den anderen fünfzehn Werten, die eine schlechte Performance erzielt haben, wenn nicht sogar gecrasht sind, geht niemand haussieren."
Der extrem hohe Gewinn eines Einzelwertes überdeckt oft die unterdurchschnittliche Entwicklung des gesamten Depots. Viele Anleger sind schlecht beraten, wenn Sie aufgrund der Aktientipps von anderen in diesen Foren handeln. Selbst professionellen, gut bezahlten Fondsmanagern gelinge es bis auf wenige Ausnahmen nicht, langfristig besser abzuschneiden als der Markt.
Wie viel Geld sollten Anleger investieren?
"Zwei bis drei Gehälter, die jederzeit zum Beispiel auf dem Tagesgeldkonto verfügbar sind, sollten als Rücklage für private Ausgaben zur Verfügung stehen und nicht investiert werden", sagt Soltau. Den Rest könne man breit gestreut in Aktien, ETFs oder Anleihen investieren.
Außerdem sei Geduld nötig, um erfolgreich zu sein. Gemeint ist damit, dass Sie mindestens zehn, besser 15 Jahre investiert bleiben sollten, um Marktschwankungen aussitzen zu können. Selbst wenn die Kurse einmal innerhalb kurzer Zeit um mehr als 20 Prozent fallen sollten, hilft nur eines: abwarten.
"Das Schlechteste wäre es, in einem Crash zu verkaufen. Wenn Panik um sich greift, wollen alle Marktteilnehmer gleichzeitig das sinkende Schiff verlassen. Die Folgen sind noch schneller fallende Kurse." Wer dann nicht in der Not zu niedrigen Preisen verkaufen müsse, sei den anderen einen großen Schritt voraus.
"In solchen Situationen sollten Sie sich vor Augen halten, dass es weder den perfekten Einstiegszeitpunkt noch den perfekten Ausstiegszeitpunkt gibt." Niemand wisse, wann ein fallender Aktienmarkt seinen Tiefpunkt erreicht habe und wieder zu steigen beginne. "Wer in diesen Situationen einen Sparplan laufen hat, kann sogar vom Crash profitieren, indem er zu günstigen Preisen weitere Fonds-Anteile kauft", rät Soltau.
Wie werden Anleger zu guten Anlegern?
Spieler an der Börse wird es immer geben. Das heißt aber nicht, dass die Börse ein Spielcasino ist. "Wer sich mit dem Aktienmarkt beschäftigt und Spaß daran hat, Aktien zu handeln, wird eine vielversprechende Zukunft vor sich haben", sagt Soltau. Doch am Anfang gelte, wie bei allem Neuen: Erfahrungen sammeln.
Das Wichtigste dabei laut Soltau: nicht dem Hype folgen. Zwar werde es immer Aktien geben, die überdurchschnittlich gut laufen, doch für den Durchschnitt aller Aktien sei das nicht der Fall. "Die einfachste Grundregel lautet: Lieber nur das machen, was man wirklich selbst versteht, und wenn man nicht weiß, was man machen soll, dann lieber gar nichts machen als etwas Falsches."
- Interview mit Thomas Soltau von Smartbroker AG