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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Angebot für den Booster Wie Betroffene an die dritte Impfung kommen
Seit Anfang des Monats soll den Risikogruppen die dritte Corona-Impfung angeboten werden. Doch wie läuft das praktisch ab? t-online beantwortet die wichtigsten Fragen.
Anfang August beschlossen die Gesundheitsminister von Bund und Ländern, besonders gefährdeten Gruppen ab September das Angebot einer dritten Impfung gegen das Coronavirus zu machen. Doch wie genau das umgesetzt wird, ist bislang noch unklar. Denn: Bislang fehlt noch ein Schritt.
So teilt die Kassenärztliche Vereinigung auf Anfrage mit: "Eine Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) zur konkreten Umsetzung steht noch aus. Wenn diese vorliegt, wird es Regelungen auf Landesebene geben. Grundsätzlich stehen die Praxen bereit, um die Auffrischimpfungen zu übernehmen."
Die Ständige Impfkommission zeigt sich bislang skeptisch. Denn noch fehlten verlässliche Daten zum Nutzen. So sagte Stiko-Chef Thomas Mertens Mitte August in der "Welt": "Hier handelt es sich um eine politische Vorsorgemaßnahme ohne ausreichende medizinische Evidenz." Allerdings gebe es auch keine Hinweise darauf, dass eine solche Drittimpfung schädlich sein könnte.
Auch ohne die Stiko-Empfehlung wird in den meisten Bundesländern der dritte Piks bereits verabreicht. Andere ziehen in diesen Wochen nach. Doch wo bekommt man den dritten Piks? t-online beantwortet die wichtigsten Fragen.
Wer kann sich nachimpfen lassen?
Jeder, der Teil einer Risikogruppe ist. Konkret geht es um ältere Menschen (ab 80 Jahre), Pflegebedürftige (in Heimen oder im eigenen Haushalt), Menschen mit Behinderung in entsprechenden Einrichtungen und Immungeschwächte. Eine Studie der Berliner Charité bestätigt den Nutzen der Drittimpfung in diesen Bevölkerungsgruppen.
Gemessen wurde die Antikörperkonzentration bei älteren Menschen (Durchschnittsalter 82 Jahre) im Vergleich zu jüngeren Mitarbeitern der Charité (Durchschnittsalter 35 Jahre). Bei den Älteren zeigte sich, dass bei vier von zehn Studienteilnehmern nach einem halben Jahr keine neutralisierenden Antikörper gegen die Delta-Variante mehr messbar waren. Die Jüngeren hatten noch zu über 97 Prozent neutralisierende Antikörper. Beide Gruppen waren zum selben Zeitpunkt und mit dem gleichen Impfstoff (Biontech/ Pfizer) geimpft worden.
"Insgesamt deuten diese Ergebnisse darauf hin, dass das etablierte Zwei-Dosen-Impfschema bei älteren Menschen im Vergleich zu jungen Erwachsenen weniger dauerhafte Immunreaktionen hervorruft", heißt es im Preprint der Studie. Daten aus Israel zeigen zudem, dass der dritte Piks offenbar hochwirksam ist.
Über die Risikogruppen hinaus kann auch jeder eine Auffrischimpfung bekommen, der bislang ausschließlich mit Astrazeneca geimpft wurde. "Auch Personen, die eine vollständige Impfserie mit einem Vektor-Impfstoff erhalten haben, wird im Sinne einer gesundheitlichen Vorsorge eine weitere Impfung angeboten", erklärt das Bundesgesundheitsministerium auf seiner Seite. "Die Auffrischimpfung wird mit einer einmaligen Impfstoffdosis mit einem der beiden mRNA-Impfstoffe (Comirnaty von Biontech oder Spikevax von Moderna) mindestens sechs Monate nach Abschluss der ersten Impfserie durchgeführt."
Hintergrund sind Erkenntnisse, nach denen eine solche Kreuzimpfung den Immunschutz verstärkt. Damit sind auch medizinisches und Pflegepersonal aus der Priorisierungsgruppe 1 berechtigt, sich nachimpfen zu lassen, sofern sie vor sechs Monaten oder länger mit Astrazeneca geimpft wurden. Der zweite Vektorimpfstoff von Johnson & Johnson war zu diesem Zeitpunkt in der EU noch nicht verfügbar.
Wie komme ich an die dritte Impfung?
Auch wenn die Stiko-Empfehlung noch aussteht, können sich die Menschen, die Teil der genannten Risikogruppen sind, mit ihrem Hausarzt in Verbindung setzen. In Alten- und Pflegeheimen sollen erneut mobile Teams eingesetzt werden. Dazu sollte sich die Leitung mit den Impfzentren in Verbindung setzen.
Für Jüngere, die bislang mit Astrazeneca geimpft wurden, und deren zweiter Piks mehr als sechs Monate zurückliegt, gilt: Sie können sich "in den Impfzentren der Länder oder durch die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte sowie durch Betriebsärztinnen und Betriebsärzte" nachimpfen lassen.
Die Organisation und Verabreichung der Auffrischungsimpfung liegt dabei in der Zuständigkeit der Bundesländer – so der Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz (GMK). Terminvereinbarungen können wie bekannt online erfolgen oder über die Impfhotline 116 117.
Welche Impfstoffe kommen zum Einsatz?
Bei der dritten Impfung werden ausschließlich mRNA-Impfstoffe, also Biontech/Pfizer oder Moderna, verwendet. Eine Phase-3-Studie des Biontech-Impfstoffes habe nach Angaben des Herstellers ergeben, dass eine Auffrischungsimpfung mit ihrem Vakzin "signifikante neutralisierende Antikörpertiter" gegen das Coronavirus aufweise.
Zahlreiche Analysen haben zudem den Nutzen sogenannter Kreuzimpfungen belegt: Nach Verabreichung eines Vektorimpfstoffes verbessert sich die Immunantwort erheblich, wenn mit einem mRNA-Impfstoff nachgeimpft wird.
Sind andere Nebenwirkungen zu erwarten?
Hier geben Daten aus Israel Aufschluss, wo die dritte Impfung bereits seit Anfang August für über 60-Jährige angeboten wird. Eine Umfrage der Krankenkasse Clalit ergab, dass sich 88 Prozent der mit dem dritten Piks Versorgten ähnlich fühlten wie nach der vorherigen Impfung.
Die Symptome hielten ebenfalls bis zu eine Woche lang an. Zehn Prozent fühlten sich schlechter als nach der Zweitimpfung. Die häufigste Impfreaktion war, wie bei der Impfung zuvor, ein Schmerz an der Einstichstelle. Nur ein Prozent suchte aufgrund heftiger Reaktionen nach der Booster-Impfung einen Arzt auf, knapp 0,4 Prozent klagten über Kurzatmigkeit.
Was wird im Körper erreicht?
Der Immunologe Dr. Andreas Radbruch, Wissenschaftlicher Direktor des Deutschen Rheuma-Forschungszentrums Berlin, erklärt im Gespräch mit t-online: "Bei der Reaktion auf einen Impfstoff muss man unterscheiden zwischen der Schutzwirkung der akuten Immunreaktion auf den Impfstoff und der langfristigen Immunität durch das Langzeitgedächtnis des Abwehrsystems. Der akute Immunschutz dauert nur ein paar Monate, aber er ist um fünf bis zehn Mal höher als der, den das Langzeitgedächtnis über viele Jahre bietet."
Durch den dritten Piks im Herbst werde also ein akuter, maximal möglicher Schutz über die Herbst- und Wintermonate erreicht. "Denn wir wissen ja, dass es sich um ein saisonales Virus handelt, das sich vor allem in den Wintermonaten ausbreitet", so Radbruch.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- Eigene Recherche
- Anfrage bei der Kassenärztlichen Vereinigung
- welt.de vom 10. August 2021
- Preprint der Charité-Studie
- Seite des Bundesgesundheitsministeriums
- Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz
- Nachrichtenagentur dpa
- Interview mit Andreas Radbruch