Die spinnen, die Bayern! Dragqueens als Bedrohung für unsere Kinder?
Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Eine Lesung bringt Bayerns Vizeministerpräsident Aiwanger in Wallung. Wollen Dragqueens die Weltherrschaft übernehmen und unsere Kinder verderben?
In Bayern zuzelt man Weißwurst zum Frühstück, erwachsene Menschen tragen kurze Lederhosen, und Kartoffelpuffer heißen Reiberdatschi. Was international für typisch deutsch gehalten wird, gilt innerhalb Deutschlands als typisch seltsam und wird mal skeptisch, mal neidisch oder mal sehnsüchtig gen Süden beäugt. Die Batzis, sie sind irgendwie komisch, aber meistens auch liebenswert.
Doch die können auch anders. Ihnen eilt nicht selten ein erzkonservativer Ruf voraus, und dem wurde ein Bayer jetzt wieder einmal gerecht: Hubert Aiwanger, stellvertretender Ministerpräsident von Bayern, bayerischer Wirtschaftsminister und Landesvorsitzender der Freien Wähler. Viele Titel, die vor Engstirnigkeit nicht schützen.
Aiwanger warnt nämlich jetzt vor einer Lesung in München, die nach "Kindeswohlgefährdung" schreie, und prangert höchstpersönlich an, das sei ein Fall fürs Jugendamt. Um Himmels willen! Herrschaftszeiten! Was machen die denn da in Bogenhausen? Was haben die vor? Was tun die unseren Kindern an, dass sich ein Politiker höchsten Ranges derart echauffiert?
Geschichten über Prinzessinnen mit eigenem Willen
Die Münchner Stadtbibliothek veranstaltet eine Lesung mit Dragqueen Vicky Voyage, Dragking Eric BigClit und der trans Jungautorin Julana Gleisenberg. Die drei nehmen Kinder jeden Alters mit in "farbenfrohe Welten, die unabhängig vom Geschlecht zeigen, was das Leben" für sie bereithält. Und es wird noch schlimmer: Die Kinder sollen so lernen, dass sie alles tun können, wenn sie nur an ihren Träumen festhalten. Das ist ja unerhört!
Die Geschichten, die das Trio vortragen will, erzählen von Jungs in Kleidern. Nein! Von Prinzessinnen mit eigenem Willen. Schrecklich. Von – und das muss man sich mal vorstellen – Kaninchen und Füchsinnen. Das ist nicht mehr unser Bayern. Das ist nicht mehr unser Deutschland. Kaninchen? Füchsinnen? Irgendwo ist aber auch mal gut!
Kein Wunder, dass Aiwanger von "Kindeswohlgefährdung", "Jugendamt" und "Gefahr für unser Land" spricht. Das grenzt ja schon fast an Blasphemie.
Wo kommen wir denn da hin?
Wo kommen wir denn hin, wenn Menschen bereits im Kindesalter lernen, wie wichtig Toleranz und Empathie sind? Wo kommen wir hin, wenn die nachfolgenden Generationen tatsächlich in einer Welt aufwachsen würden, in der jeder Mensch sein darf, wie er will? Ja, wo kommen wir hin, wenn wir endlich friedliches Miteinander und respektvollen Umgang miteinander leben?
Vielleicht kommen wir dann tatsächlich zu einem Land, in dem der Lederhosenträger mit der schrillen Dragqueen an einer Weißwurst zuzelt, wie einst Susi und Strolch an ihren Nudeln. Wenn alle sich einfach lieb haben, dann können wir uns vielleicht auch wieder den wirklichen Problemen dieser Erde widmen.
- Münchner Stadtbibliothek: "Wir lesen euch die Welt, wie sie euch gefällt"
- twitter.com: Profi von @hubertaiwanger