Gegen Kinderarbeit Lieferkettengesetz soll "moderne Sklaverei" abschaffen
Nach langem Streit einigt sich die Regierung auf ein Lieferkettengesetz. Unternehmen müssen in Zukunft darauf achten, dass ihre weltweiten Lieferketten nachhaltig sind. Hohe Bußgelder sind im Gespräch.
Im langen Streit um ein Lieferkettengesetz zur Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards haben die drei beteiligten Ministerien einen Durchbruch erzielt. Die Ressorts von Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU), Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) einigten sich auf einen gemeinsamen Referentenentwurf, wie die Deutsche Presse-Agentur am Freitag aus Regierungskreisen erfuhr.
Das geplante Lieferkettengesetz soll bis Mitte März ins Kabinett kommen. Das sagte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) am Freitag in Berlin. Er sprach von einem "historischen Durchbruch". Es gebe kein Gesetz auf der Welt und in Europa, das so ambitioniert sei wie das deutsche Lieferkettengesetz. Das Gesetz solle Menschenrechte schützen und dazu beitragen, Kinderarbeit und Ausbeutung in Entwicklungsländern zu verringern. "Moderne Sklaverei" dürfe kein Geschäftsmodell sein.
Bis Mitte März solle in der Regierung ein finaler Gesetzentwurf mit allen Details ausgearbeitet werden. Unternehmen sollen verpflichtet werden, Missstände in ihren weltweiten Lieferketten abzustellen. So sollen Menschenrechte und Umweltstandards – vor allem im Ausland – stärker eingehalten werden.
Kampf gegen Hungerlöhne
Vorgesehen ist demnach eine "abgestufte Verantwortung" für den Weg vom Endprodukt zurück zum Rohstoff. Nach dpa-Informationen soll es vom 1. Januar 2023 für Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitern gelten, von Anfang 2024 an auch für Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern.
Es soll keine zivilrechtliche Haftung der Unternehmen geben. Das hatte Altmaier abgelehnt. Wirtschaftsverbände hatten argumentiert, eine zivilrechtliche Haftung von Unternehmen für unabhängige Geschäftspartner im Ausland, die dort eigenen gesetzlichen Regelungen unterliegen, sei realitätsfern. In diesem Falle drohe, dass sich deutsche Firmen wegen zu hoher Risiken aus vielen Ländern der Welt zurückziehen.
Ziel von Heil und Müller war es, ein Lieferkettengesetz noch in dieser Legislaturperiode zu verabschieden. Die Bundestagswahl ist im Herbst. Das Gesetz soll einen Beitrag leisten, um Kinderarbeit und Hungerlöhne bei ausländischen Zulieferern einzudämmen. Es soll deutsche Unternehmen verpflichten, bei ausländischen Lieferanten die Einhaltung sozialer und ökologischer Mindeststandards zu verfolgen.
Kontrollbehörden und hohe Bußgelder geplant
Die Firmen sollen ihre gesamte Lieferkette im Blick haben. Wird einer Firma ein Missstand in der Lieferkette bekannt, soll sie verpflichtet werden, für Abhilfe zu sorgen.
Nach dpa-Informationen sollen Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften künftig die Möglichkeit bekommen, Betroffene vor Gericht zu vertreten, wenn es Verstöße gegen Standards in Lieferketten gibt.
In einem regierungsinternen Papier, das der Deutschen Presse-Agentur vorlag, heißt es: "Das Gesetz bekommt Zähne. Wir gewährleisten seine effektive Durchsetzung durch eine starke Kontrollbehörde, die Unternehmen auf die Finger schaut mit Vor-Ort-Kontrollen in Unternehmen und Bußgeldern bei Verstößen – aber auch mit substanziellen Unterstützungsangeboten."
Wirtschaftsverbände: Es muss praktikabel bleiben
Unternehmen, gegen die aufgrund von Verstößen gegen die Sorgfaltspflicht ein Bußgeld verhängt wird, sollen demnach bis zu drei Jahre von öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen werden.
Heil sagte, die Bußgelder im Falle von Verstößen seien momentan noch in der Abstimmung mit dem Justizministerium. Für ihn sei aber eine Orientierung von bis zu zehn Prozent des Umsatzes denkbar, so könnten die Bußen mehrere 100.000 Euro betragen oder sogar in die Millionen gehen. Die Details seien noch zu klären.
Heil und Müller hatten betont, mit dem Gesetz sollten Kinderarbeit, Niedriglöhne und mangelnder Arbeitsschutz vor allem in Entwicklungsländern bekämpft werden. Wirtschaftsverbände hatten sich zu Standards bekannt, aber darauf hingewiesen, ein Lieferkettengesetz müsse praktikabel sein – weil Firmen mitunter hunderte Lieferanten haben.
Ein Monitoring der Bundesregierung hatte gezeigt, dass nur ein Fünftel aller in Deutschland ansässigen Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten ihrer menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht entlang ihrer Lieferketten genügend nachkomme. Freiwillige Selbstverpflichtung reiche daher nicht aus.
- Nachrichtenagentur dpa