"Magic Mushrooms" Ärzte wollen Depressionen mit Zauberpilzen behandeln
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Obwohl es heute zahlreiche moderne Therapien bei Depressionen gibt, kann noch immer nicht allen Patienten geholfen werden. Einem Medienbericht zufolge wollen deutsche Mediziner nun eine Behandlung erproben, die auf die psychedelische Wirkung von Zauberpilzen setzt.
Depressionen gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen. Zwar gibt es heute eine Reihe von Behandlungsmöglichkeiten. Doch nicht bei allen Patienten schlagen eine Psychotherapie, Medikamente gegen Depression und andere Therapieformen ausreichend an.
Deutsche Ärzte wollen nun eine völlig neue Behandlungsform an jenen psychisch kranken Patienten testen, bei denen keine der herkömmlichen Therapien hilft. Das Besondere daran: Dabei sollen bewusstseinsverändernde Substanzen eingesetzt werden. Wie das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" berichtet, sollen am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit (ZI) Mannheim und an der Charité Berlin 144 Probanden mit einer therapieresistenten Depression das Halluzinogen Psilocybin einnehmen.
- Selbsttest: Depressionen Test - Sind Sie betroffen?
Psychedelischer Trip wird von Ärzten begleitet
Diese Substanz wird von sogenannten Zauberpilzen, auch als "Magic Mushrooms" bekannt, gebildet. Wegen ihrer Wirkung sind diese Pilze heute in den meisten Ländern verboten. Die Herstellung von Psilocybin ist illegal und der Besitz strafbar.
Bei den Patienten, an denen Psilocybin nun im Rahmen der neuen Studie getestet werden soll, ist ein psychedelischer, also bewusstseinsverändernder Trip vorgesehen, der rund sechs Stunden dauern soll. Begleitet werden sie während dieser Zeit von Psychotherapeuten, die im Fall von Angstzuständen eingreifen können. Die Psychiater erhoffen sich, dass die Erfahrungen, Erlebnisse und Einsichten unter Psilocybin-Einfluss den Betroffenen helfen, ihre Depression zu überwinden.
Forscher brauchen Genehmigung für Psilocybin
Der Test wird der erste seiner Art in Deutschland sein. Psilocybin unterliegt dem Betäubungsmittelgesetz. Besitz und Erwerb des Wirkstoffs sind, ebenso wie bei der ähnlich wirkenden synthetischen Droge LSD, verboten. Auch in der Forschung dürfen Versuche mit der halluzinogenen Substanz nur mit einer Ausnahmegenehmigung durchgeführt werden.
Noch liegt diese Genehmigung den an der geplanten Studie beteiligten Wissenschaftlern nicht vor. Studienleiter Gerhard Gründer vom ZI Mannheim sei aber zuversichtlich, die Zulassung des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) bis zum Sommer zu erhalten, so der "Der Spiegel".
Psilocybin und LSD gelten nicht als abhängig machend. Auch toxische Wirkungen sind nicht bekannt. Da ein psychedelischer Trip jedoch Panikattacken oder sogar nachhaltige Psychosen auslösen kann, wird die Behandlung der Patienten in Mannheim und Berlin psychotherapeutisch beaufsichtigt. Psychose-gefährdete Menschen sollen von der Studie ausgeschlossen sein.
Das Auf und Ab in der Forschung mit Psychedelika
Dass Pilze aus der Gattung der Psilocybe eine das Bewusstsein verändernde Wirkung haben, ist der breiten Öffentlichkeit seit Ende der Fünfziger Jahre bekannt. In manchen Kulturen nutzen Schamanen und Medizinmänner die Pilze schon seit Langem. Nachdem der Schweizer Chemiker Albert Hofmann, der Entdecker von LSD, die für den Rausch verantwortliche Substanz Psilocybin isolieren konnte, wurde die Wirkung von LSD bis in die Sechzigerjahre intensiv erforscht.
Im Jahr 1966 wurde die Droge in den USA verboten, 1971 auch in Deutschland. Damit endete vorerst auch die Forschung mit dem Wirkstoff. Seit einigen Jahren nimmt das wissenschaftliche Interesse daran aber wieder zu – mit ersten Hinweisen auf positive Effekte auf Patienten mit psychischen Krankheiten.
Andere Studien liefern Hinweise auf Nutzen von Psilocybin
So konnten vor wenigen Jahren in einer kleinen offenen Studie mithilfe von Psilocybin die Depressionen von Patienten gelindert werden, bei denen die vorherige Therapie mit anderen konventionellen Medikamenten erfolglos geblieben war. Die Ergebnisse der Untersuchung, die in Großbritannien am Imperial College London durchgeführt wurde, wurden 2016 im Fachmagazin "Lancet Psychiatry" veröffentlicht.
Derzeit werden Psychedelika in der Schweiz, in England und den USA unter anderem als Mittel zur Linderung von Todesangst, zur Überwindung von Alkoholsucht und zur Behandlung von Depressiven erprobt. Wegen der weniger lang anhaltenden Wirkung nutzen die Ärzte dabei meist Psilocybin statt LSD.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- "Der Spiegel": Die Heilkraft des LSD
- Lancet Psychiatry: "Psilocybin with psychological support for treatment-resistant depression: an open-label feasibility study"
- Imperial College London: "Magic mushroom compound tested for treatment-resistant depression"
- Eigene Recherchen