Familienplanung "Das Leben ist ungerecht!" Wenn nur die anderen schwanger werden
Familienplanung ist ein Begriff, der nicht immer hält, was er verspricht. Denn zuverlässig planbar ist Nachwuchs leider oftmals nicht. Viele Paare mit Kinderwunsch brauchen manchmal jahrelang - teils auch mit medizinischer Unterstützung -, bis sie endlich stolz verkünden können "hurra, wir sind schwanger!". Die Zeit bis zu diesem erlösenden Moment wird häufig für Frauen zur quälenden Leidensphase, wenn viele Freundinnen aus dem Bekanntenkreis früher schwanger werden.
Das Mitteilungsbedürfnis in Kinderwunschforen ist riesig: Unüberschaubar sind hier die Wortmeldungen, wenn es darum geht, über ungewollte Kinderlosigkeit und die damit verbundenen Nöte zu berichten. Dazu gehört beispielsweise auch die geglückte Familienplanung bei anderen. Denn gerade Frauen, die sich seit langem mit ihrem Partner ein Baby wünschen, empfinden es oft als besonders schmerzhaft, wenn in ihrem sozialen Umfeld ständig "Schwangerschaft stattfindet" - nur nicht bei ihnen.
"Das Leben ist einfach ungerecht"
So schreibt Jana: "Heute hab ich erfahren, dass meine beste Freundin schwanger ist. Ich freue mich zwar für sie, aber es ist trotzdem ein Schlag ins Gesicht. Jetzt habe ich eigentlich keine Freundin mehr, die noch keine Kinder hat. Das Leben ist einfach ungerecht, denn auch wir versuchen seit Jahren ein Baby zu bekommen." Und Beatrix erzählt: "Es tut so weh. Da werden alle Mädels um mich herum schwanger und ich muss Medikamente spritzen und sonst noch tausend Sachen tun, damit es bei uns vielleicht endlich mal klappt. Das kotzt mich an."
Neid, Scham und Schuldgefühle
Der Neid, der bei solchen Kommentaren mitschwingt, wird vor allem bei Äußerungen im Internet deutlich. Gerade hier in der Anonymität der digitalen Welt scheint es für die Betroffenen offenbar leichter zu sein, moralisch tabuisierte Befindlichkeiten wie etwa Missgunst ehrlich auszusprechen. "Im Alltag", erklärt Diplom-Sozialarbeiterin Petra Thorn von der Deutschen Gesellschaft für Kinderwunschberatung (BKID), "trauen sich ungewollt kinderlose Frauen oft nicht negative Gefühle zu zeigen, wenn jemand aus dem Freundeskreis oder in der Verwandtschaft ein Baby erwartet. Sie schämen sich dann, fühlen sich schuldig und verschließen sich häufig."
Expertin: Man darf sich nicht isolieren
Hinzu käme in solchen Situationen, so die Expertin, dass sich die Betroffenen weniger wertvoll als Frau fühlten und dadurch sogar depressive Reaktionen hervorgerufen werden könnten. Auch dies führe dazu, dass sie sich häufig zurückzögen und ausgeschlossen fühlten. Eine solche Vermeidungshaltung sei streckenweise zwar gesundes Verhalten, um sich zu schützen. "Man muss dabei aber aufpassen, dass man sich nicht sozial isoliert", so die Erfahrung von Petra Thorn aus ihrer therapeutischen Tätigkeit.
Trauergefühle nicht verstecken
Neben dem Neidgefühl ist es häufig aber auch eine große Trauer, die viele Frauen mit lang gehegtem Kinderwunsch bewegt, wenn sie mit dem Babyglück anderer in ihrem Umfeld konfrontiert werden. Um hier nicht Gefahr zu laufen, den Schmerz über das "eigene Unvermögen" zu verdrängen und sich von denjenigen, denen "mehr Glück" vergönnt ist, zurückzuziehen, sollten die betroffenen Frauen offensiv mit ihren Emotionen umgehen, empfiehlt Thorn: "Traurigkeit muss man unbedingt zulassen. Das ist ein ganz normaler Prozess, um Geschehenes zu verarbeiten. Doch man sollte seine Trauer nicht nur für sich behalten, sondern sie ruhig offen zeigen und auch darüber kommunizieren."
Dazu sei es wichtig, sich als Gesprächspartner vertraute Bezugspersonen aus dem Freundeskreis oder der Verwandtschaft zu suchen, die jederzeit ansprechbar seien und bei denen man verstanden werde und sich fallen lassen könnte, erklärt die Expertin. Aber auch eine Aussprache bei Beratungseinrichtungen wie etwa im "Beratungsnetz Kinderwunsch Deutschland" (BKID) oder "Pro Familia" sind eine hilfreiche Alternative gegen die seelischen Nöte.
Belastungsprobe für die Frauen-Freundschaft
Doch ist auch ein vertrauensvoller Austausch mit der besten Freundin möglich, die sich gerade über einen Babybauch freut? Deutet man die Äußerungen in Kinderwunschforen, so scheint es eher schwierig zu sein. Denn auch auf der Seite der "glücklichen Schwangeren" herrschen große Unsicherheit und zwiespältige Gefühle, wenn es darum geht, der kinderlosen Freundin zu begegnen: "Ich weiß gar nicht wie ich mit meiner Freundin umgehen soll", schreibt die schwangere Dagmar. "Wir kennen uns zwar schon eine Ewigkeit, sind immer durch dick und dünn gegangen, wissen aber gerade gar nicht, über was wir reden sollen. Wir leben zurzeit wohl in völlig verschiedenen Welten und jede versucht ihre Welt gegenüber der anderen nicht unbedingt anzusprechen, um ja nichts falsch zu machen und der anderen nicht weh zu tun."
Petra Thorn rät in solchen Fällen, trotzdem zu versuchen, offen miteinander umzugehen und sich auch weiterhin jeweils über die eigenen Befindlichkeiten und Bedürfnisse auszutauschen: "Dabei sollte aber von beiden Seiten darauf geachtet werden, dass der Kinderwunsch der einen und die Schwangerschaft der anderen nicht im Mittelpunkt stehen. Am besten man stellt auch andere Themen in den Vordergrund, die auch früher schon das Vertrauensverhältnis und die Freundschaft ausmachten und beide Frauen lange miteinander verbinden."
Partnerschaft sollte sich nicht nur um Kinderwunsch drehen
Um den Schmerz der kinderlosen Frauen zu lindern und ihren "vergleichenden" Blick von werdenden Müttern abzulenken, kann auch die Beziehung zum Partner eine positive Rolle spielen. Hierzu erklärt Expertin Thorn: "Das A und O ist Kommunikation und dass man in der Partnerschaft offen über alle Gefühle und Ängste sprechen kann. Doch auch hier darf man nicht vergessen, dass es auch andere Themen neben dem gemeinsamen Kinderwunsch gibt. Wichtig ist deshalb, dass betroffene Paare gerade in dieser schweren Lebensphase sehr sorgsam mit ihrer Sexualität umgehen und versuchen sollten, sie lustvoll zu leben - ohne immer nur zielorientiert auf den Nachwuchs hinzuarbeiten."
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.