Fragwürdige Früherkennung Alzheimer: Teure Tests bringen oft nichts
Die Angst, im Alter Alzheimer zu bekommen, sitzt bei vielen Menschen tief. Sie wollen Gewissheit, wie hoch ihr Demenzrisiko ist. Einige Ärzte profitieren von dieser Unsicherheit. In Privatpraxen bieten sie besorgten Patienten teure Früherkennungstests an. Experten jedoch stehen diesen Verfahren skeptisch gegenüber.
Wer frühzeitig das eigene Alzheimer-Risiko kennen wolle, könne sich "bequem" einer nicht-invasiven Gehirnuntersuchung unterziehen, werben einige Privatpraxen. Sie wenden sich an besorgte, oftmals beschwerdefreie Patienten. Die Untersuchungen seien als sehr kritisch einzustufen, betonen Experten.
3D-Aufnahmen vom Gehirn
"Patienten könnten es billiger haben – und seriöser", sagt die Direktorin der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Berliner Charité, Isabella Heuser. Ihre Stimme wird laut, wenn sie von den "zweifelhaften Produkten" der Anbieter spricht. Es handle sich um "schäbige Geldmacherei", sagt Heuser, die auch im Vorstand der Deutschen Hirnliga vertreten ist.
Heuser spricht von Methoden, die meist auf Magnetresonanztomographie (MRT) basieren: Mit den modernen Geräten wird ein Bild des Gehirns angefertigt. Damit sollen etwa strukturelle Erkrankungen im Hirngewebe oder eine veränderte Größe bestimmter Hirnbereiche aufgespürt werden können. Bereits kleinste Veränderungen in der Hirnstruktur ließen sich in hochaufgelösten 3D-Aufnahmen des Gehirns nachweisen, verspricht mancher Werbetext.
Teurer Test zur Risikoanalyse
"Für den einmaligen Test kassieren die Praxen mehrere hundert, einige mehr als tausend Euro. Empfohlen wird teilweise, die Analyse nach einigen Jahren erneut durchzuführen", ergaben Recherchen von "Spiegel online". Der Geschäftsführer einer Firma, die im Auftrag der Praxen die MRT-Aufnahmen, die das Risiko mithilfe eines Computerprogramms auswertet, habe sich gegen Kritik gewehrt: "Es stimmt nicht, dass wir den Menschen Angst machen", zitiert "Spiegel online" den Experten.
Unnötige psychische Belastung der Patienten
Bei Untersuchungen des Hirnvolumens prüfen Ärzte anhand von Gehirn-Normdaten entsprechend des Alters und des Geschlechts, ob statistisch ein erhöhtes Erkrankungsrisiko vorliegt, erläutert Heuser. Frühzeitig Alzheimer erkennen lasse sich so aber nicht. Vielmehr könne das Ergebnis bei Patienten mit angeschlagener Psyche Schaden anrichten, meint Heuser: "Den Menschen, der dann vielleicht einen etwas schmäleren Hippocampus hat, stürzt man in eine Lebenskrise. Dabei hat er vielleicht nur eine Depression." Solche Fälle gebe es "ganz häufig".
Erst die Summe aus mehreren Tests ist aussagekräftig
"Bildgebende Verfahren sind wichtig, aber sie sagen nicht alles", sagt der Mediziner Volker Edelmann von den Vivantes-Kliniken in Berlin. Wer zum Spezialisten in eine sogenannte Gedächtnissprechstunde geht, wird den Experten zufolge einer ganzen Reihe von Tests unterzogen: Mediziner sprechen mit Angehörigen, prüfen bisherige Befunde und Vorerkrankungen, machen neurologische Untersuchungen und testen etwa, wie gut man sich etwas merken kann.
Ist ein Patient noch relativ jung, können auch die MRT-Aufnahmen des Gehirns und eine Untersuchung des Nervenwassers zusätzlich Aufschluss bringen. "Das Urteil, ob wahrscheinlich eine Demenzerkrankung vorliegt, fällt aus der Summe dieser Tests", betont Edelmann.
Notwendige Untersuchungen übernimmt die Krankenkasse
Die nötigen Untersuchungen bezahlt in der Regel die Krankenkasse. Kostenpflichtigen Tests vor dem Ausbruch von Symptomen steht auch die Deutsche Alzheimer-Gesellschaft skeptisch gegenüber, heißt es auf Anfrage. Doch der Markt dafür dürfte wachsen: Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) geht davon aus, dass sich die Krankenzahlen bis 2050 geschätzt verdreifachen. Deutschlandweit gibt es rund 1,5 Millionen Menschen mit Demenzerkrankungen, die meisten haben Alzheimer. Zuletzt gab es jedoch auch Studien, in denen eine epidemieartige Ausbreitung von Alzheimer angezweifelt wird.
Experten fürchten Verunsicherung der Patienten
Da mit manchen Tests nicht nur Gewissheit, sondern auch ein medizinischer Vorteil versprochen wird, sehen die Fachleute auch ein ethisches Problem: "Da Medikamente zur Vorbeugung noch fehlen, kann ein solcher Test bei ungünstigem Ergebnis mehr Verunsicherung schaffen, als dass er nutzt", sagt Edelmann. Das Resultat müsse behutsam mit den Betroffenen und den Angehörigen besprochen werden. Patienten könnten sich lediglich insofern schützen, dass sie zum Beispiel ein möglichst gesundes Leben führen.
Mit Vorsorge hätten die Tests nichts zu tun, sagt Isabella Heuser. Zu ihr kommen dennoch immer wieder Patienten, die sich den Verfahren schon unterzogen haben, wie die Medizinerin sagt. Eine andere Wahl, als sich doch noch umfassend testen zu lassen, haben sie wohl kaum.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- dpa
- Spiegel Online
- Deutsche Alzheimer-Gesellschaft