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Hamburg Hauptbahnhof: Fühlen sich die Menschen durch die Verbote sicherer?


Kein Ort der Sicherheit?
Das Elend am Hauptbahnhof: "24 Stunden mit Drogen beschäftigt"


Aktualisiert am 30.04.2024Lesedauer: 4 Min.
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Elend am Hauptbahnhof HamburgVergrößern des Bildes
Eine Person schläft in einem Rollstuhl am Hauptbahnhof Hamburg (Symbolfoto): Das Elend der Stadt sammelt sich seit Jahren an diesem Ort. (Quelle: Nina Hoffmann)

Im Hauptbahnhof Hamburg greift ein neues Sicherheitskonzept. Fühlen sich die Menschen nun vor Ort wohler? Ein Besuch des Orts, an dem das Elend seit Jahren wächst.

Franziska beugt sich nach vorne und lässt sprudelndes Wasser in ihren Mund laufen. Dann wendet sie sich von dem Wasserspender ab und geht weiter – ohne nach rechts oder links zu schauen. Dennoch erntet sie viele Blicke. Neugierige und skeptische. Vielleicht liegt es an der zu weiten Hose, die ihr immer wieder von der schmalen Hüfte rutscht. Oder an den fehlenden Zähnen. Zwischen den Touristinnen und Touristen fällt die 54-Jährige am Hauptbahnhof Hamburg auf. Die Sucht hat ihr Gesicht, ihre Haltung, ihre Hände gezeichnet.

Sucht – die ist am Hauptbahnhof präsent. An vielen Ecken, in dunklen Gängen und auf Sitzgelegenheiten lassen sich Suchtkranke nieder. Erholen sich vom letzten Rausch. Essen, was das Kleingeld in ihren Bechern möglich macht. Die zunehmende Verelendung rund um den Bahnhof ist immer wieder ein Thema. Auch die Straftaten häufen sich dort. 2023 wurden rund um den Hauptbahnhof mehr als 17.000 Rauchgiftdelikte festgestellt. Darunter leidet auch das Sicherheitsgefühl.

Stadt und Deutsche Bahn haben deshalb Maßnahmen ergriffen, damit sich das Sicherheitsempfinden rund um den Bahnhof wieder bessert. Unter anderem ein Alkoholverbot gilt seit Anfang April im Hauptbahnhof, der Wandelhalle, auf dem Hachmannplatz und dem Heidi-Kabel-Platz. 40 Euro muss man zahlen, wenn man dagegen verstößt. Und auch Polizei sowie Mitarbeiter der DB Sicherheit und der Hochbahn-Wache sind verstärkt am Bahnhof unterwegs. Fühlen sich die Menschen hier nun also wohler?

Hauptbahnhof Hamburg: Kein Ort zum Verweilen

"Hier kann man nicht lange bleiben", sagt eine Rentnerin, die an einem der Bahnhofsausgänge steht, und den Rauch ihrer Zigarette einzieht. Sie hat sich mit ihrer Freundin in der Hamburger Innenstadt getroffen. Jetzt soll es zurück Richtung Wilhelmsburg gehen. Beide wollen ihre Namen nicht verraten. "Ich habe ein paar Jahre hier im Bahnhof gearbeitet", sagt die Freundin. "Hin und wieder kamen da echt unheimliche Gestalten in den Laden."

Dass mehr Sicherheitskräfte vor Ort sind, sei den beiden zwar positiv aufgefallen – dennoch: Ein ungutes Gefühl und die Angst, Opfer einer Straftat zu werden, bleibe. "Deshalb muss ich jetzt auch schnell weg", sagt die eine der beiden Frauen. Die Bahn komme gleich. Ihre Freundin drückt ihre Zigarette aus und schließt sich an.

"Hauptbahnhof ist mein Wohnzimmer"

Nana steht ebenfalls an einem der Bahnhofseingänge. Zwischen ihren Beinen liegt eine Reisetasche. Die 30-Jährige fühlt sich am Bahnhof sicher. "Ich hatte bisher das Gefühl, dass die Situation hier unter Kontrolle ist", sagt Nana und verweist auf die vielen Sicherheitskräfte. Auch wenn die Stuttgarterin mal mit ihrer kleinen Tochter in Hamburg mit dem Zug ankomme, habe sie sich nicht unsicher gefühlt. Im Gegenteil.

Ähnlich empfindet die suchtkranke Franziska. Auf die Frage, ob sie sich als Frau, die viel Zeit am Bahnhof verbringe, hier sicher fühle, antwortet sie: "Natürlich. Der Hauptbahnhof ist gewissermaßen mein Wohnzimmer", sagt sie und grinst, während sie mit ihren Fingern an ihrem Schal zupft. Nagellack glitzert auf ihren Nägeln.

"Drob Inn" am Hauptbahnhof in der Kritik

Die 54-Jährige ist nicht obdachlos, hat eine Wohnung, in der sie Schutz findet. Trotzdem ist sie oft hier. Seit einiger Zeit sei sie substituiert. Sie erhält also Ersatzstoffe für ihre Sucht. Im "Drob Inn" gibt es Unterstützung für Substituierte. Dort wird Essen aufgetischt, und die Besucherinnen und Besucher können ihre Wäsche waschen.

Die Anlaufstelle liegt in der Nähe vom Hauptbahnhof. Gerade erst hat die Stadt zusätzlich eine nahegelegene Immobilie in der Repsoldstraße angekauft, um auch dort Schutz und Beratung für suchtkranke und obdachlose Menschen anzubieten. Dabei zog schon das "Drop Inn" in der Vergangenheit immer wieder Kritik auf sich – Süchtige würden sich dort in großer Zahl versammeln und Touristinnen und Touristen verschrecken.

Seit Anfang April gibt es nun einen Zaun als Sichtschutz. "Irgendwie müssen Steuergelder wohl investiert werden", sagt Franziska und verliert die Freundlichkeit in ihrer Stimme. "Die Menschen brauchen fundamentale Hilfe, um zur Ruhe zu kommen. Keinen Zaun, der sie zusammenpfercht." Sie sagt, die Situation mit der Obdachlosigkeit und Verelendung sei aus dem Ruder gelaufen. Jetzt versuche man, die Menschen rund um den Bahnhof zu verdrängen.

"Die Szene hat sich verändert"

Das stößt auch seitens vieler Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter auf Kritik. "Die ganze Verdrängung am Hauptbahnhof bringt sehr viel Unruhe für die abhängigkeitserkrankten Menschen hier, das hilft uns in der Arbeit nicht", sagte Christine Tügel vom "Drob-Inn"-Betreiber Jugendhilfe e. V. jüngst im Gespräch mit der "Mopo". Die neuen Maßnahmen wie das Alkoholverbot und die Kontrollen würden die kranken Menschen nun an andere Orte führen.

Dass manche Suchtkranke bei anderen Menschen Angst auslösen, kann Franziska verstehen. "Die Szene hat sich in den letzten Jahren verändert", sagt die 54-Jährige, die seit fast 40 Jahren gegen ihre Sucht kämpft. "Besonders die Jüngeren sind gewaltbereit." Doch darunter dürften nicht alle leiden, findet sie. Denn viele Menschen seien nicht aggressiv – sondern würden nur versuchen zu überleben. "Wir sprechen hier über Menschen, die 24 Stunden am Tag mit Drogen beschäftigt sind. Das sind die Ärmsten der Armen."

Verwendete Quellen
  • Recherche vor Ort
  • Eigene Artikel bei t-online
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