Überholtes Konzept "Das Supertalent": Auch ohne Bohlen eine Katastrophe
Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Am Samstagabend lief "Das Supertalent" erstmals ohne Dieter Bohlen in der Jury. Besser gemacht hat es das Format allerdings auch nicht.
Ein klein wenig humaner, weniger Haudrauf und weniger Fremdschammomente – das gab das "Supertalent" in seiner Neuauflage her. Wobei eigentlich nicht wirklich etwas neu war bis auf die Tatsache, dass etwas Altes fehlte: Dieter Bohlen. Der Poptitan und RTL beendeten vor einigen Monaten ihre langjährige Zusammenarbeit an "Das Supertalent" und "Deutschland sucht den Superstar". Für RTL schien diese Trennung definitiv gut zu sein, doch was aus der Chance gemacht wurde, zeigte sich dann am Samstagabend.
Nach 15 Minuten wusste man als Zuschauer: Besser wird es heute Abend nicht mehr werden. Die zehnjährige (!) Elena überraschte mit einem Operngesang, den ihr wohl niemand zugetraut hätte. Wie eine ganz Große brachte das Mädchen unglaubliche Töne aus sich heraus, was oder wer sollte das noch toppen? Den Auftritt sehen Sie hier im Video.
Es folgten ein Magier, ein Maler, eine Rapperin, zwei Tanzgruppen, ein Kämpfer, eine Komikerin, ein Einradfahrer, eine Windkanalfliegerin und ein Magier – schon wieder? Ja.
Wenn zwischen den penetranten Werbefilmchen für die Ehrlich Brothers noch ein wenig Platz in der Sendung war, dann kamen auch noch jene zwei Magier als mögliche Supertalente auf die Bühne. Magisch oder zauberhaft wurde die Show dadurch leider trotzdem nicht. Dabei waren die beiden Igelköpfe sogar ganz sympathisch.
Chris Ehrlich, der Bad Cop(perfield) der Zauberer
Die Magie, oder ja möglicherweise auch aufblühende Konkurrenz, stieg ihnen einstweilen allerdings selbst zu Kopf. Etwa als es darum ging, zu entscheiden, welche Kandidaten nun weitermachen sollten. "Ihr wollt also wirklich zwei Magier im Halbfinale sehen, ja?", fragte Chris Ehrlich, sozusagen der Bad Cop(perfield) der Zauberer. Dabei brauchte es ja nicht einmal einen Schnaps, um durch die zwei Magier auf der Bühne und zwei in der Jury doppelt zu sehen und vier zu machen.
Es waren aber andere Momente, in denen zum Beispiel "die Zuschauer des Tages" eingeblendet wurden, wo man eigentlich nur noch umschalten wollte. "Was will er jetzt bezwecken?", fragte da zum Beispiel XY ihren Mann, während sie sich nichts tuend und womöglich nichts könnend (schwer zu sagen, denn wir kennen diese Personen nicht, deren Meinung uns da plötzlich kundgetan wird) über das Talent derer ausließ, die sich auf eine riesige Bühne trauten, während sie nur abwertend am Rande saß.
Zu Bohlens Zeiten wurden solche Momente noch befeuert, mit fiesen Sprüchen angestachelt, sodass sich Szenen wie damals bei den Gladiatoren auftaten. Das Publikum feixte, buhte, richtete den Daumen todbringend gen Hölle und kehrte sich von der Bühne ab. Das Talent war es nicht einmal mehr wert, vom Pöbel beachtet zu werden.
An der Jury lag es nicht
Unter Motsi Mabuse, Riccardo Simonetti, Michael Michalsky und den Ehrlich Brothers gab es solche Szenen glücklicherweise nicht mehr. Die neuen Juroren hatten auch für weniger fesselnde Darbietungen nette Worte übrig, lobten die Vorbereitung, die Zeit und den Mut, die jeder Einzelne immerhin aufgebracht hatte, um sich und sein Talent auf der Bühne zu präsentieren.
Doch all das wollte dann letztendlich doch irgendwie nicht reichen, um aus diesem Samstagabend einen unterhaltsamen zu machen. Zwar gab es helle Momente, wie eben die zehnjährige Elena oder den Maler, der mit Bodypaint Menschen zu Meeresbewohnern machen konnte, aber wirklich neu und innovativ war das alles nicht. Haben wir eben alles so oder ähnlich schon gesehen.
Vielleicht reichen 13 Jahre "Supertalent" einfach aus und nicht nur Bohlen ist überholt, sondern auch seine Shows. Im kommenden Jahr läuft zum 19. Mal "Deutschland sucht den Superstar". Auch dieses Format wird jetzt ohne Bohlen auskommen. Und auch da kann man schon einmal die vorsichtige Prognose wagen, dass auch hier 20 Jahre DSDS möglichweise ein Hauch zu viel des Schlechten sind.
- RTL: "Das Supertalent" vom 2. Oktober 2021