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Wahlen in Südafrika 2024: Entscheidung über die Zukunft des Landes


Vor Schicksalswahl
Dieses Land ist auf dem Weg zum "Failed State"

MeinungEin Gastbeitrag von Gregor Jaecke, Konrad-Adenauer-Stiftung

14.05.2024Lesedauer: 3 Min.
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Blick auf Johannesburg: Die Regenbogennation braucht eine grundlegende politische Neuausrichtung. (Quelle: imago-images-bilder)

Die Wahlen in Südafrika am 29. Mai gelten als die wichtigsten und am härtesten umkämpften seit dem Wahlsieg des ANC unter Nelson Mandela. Doch wer am Ende gewinnt, ist ungewiss.

Die Mehrzahl der Wahlumfragen sehen Südafrikas Dauerregierungspartei "African National Congress" (ANC), die bei den letzten Wahlen 2019 auf nationaler Ebene noch 57,5 Prozent der Stimmen erzielte, erstmals seit 30 Jahren von einer absoluten Mehrheit entfernt. Dies wäre das Ende der Einparteienherrschaft und damit der Beginn einer Ära von Koalitionsregierungen auf nationaler und Provinzebene in Südafrika.

Eine grundsätzlich positive Entwicklung für die junge Demokratie, denn der ANC hat Südafrika in den vergangenen 15 Jahren an den Rand des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zusammenbruchs fehlregiert. Viele Beobachter sprechen bereits davon, dass Südafrika sich auf dem Pfad zu einem "failed state" befinde. Kurzum: Die Regenbogennation braucht eine grundlegende politische Neuausrichtung.

Über den Autor

Gregor Jaecke ist seit Januar 2023 Leiter des Auslandsbüros Südafrika der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS). Die KAS ist eine der CDU ideell nahestehende Denkfabrik, die sich unter anderem für die europäische Verständigung einsetzt.

Die katastrophale Regierungsbilanz der ehemaligen Befreiungsbewegung spiegelt sich in nahezu allen Politikfeldern wider: Südafrika hat marode Staatsunternehmen – der Stromkonzern Eskom, der für wiederkehrende Stromausfälle im ganzen Land verantwortlich ist, dient vielen Menschen als Sinnbild dieses Verfalls –, ein schleppendes Wirtschaftswachstum, einen dysfunktionalen Sicherheitsapparat sowie nicht zuletzt ein unzulängliches Bildungssystem. All dies hat einen giftigen Cocktail aus sehr hoher Arbeitslosigkeit – etwa 60 Prozent der jungen Menschen sind ohne Arbeit – und zügelloser Kriminalität, vor allem im Bereich der Bandenkriminalität, erzeugt.

Großer Teil der Bevölkerung hat sich Politik abgewandt

Hinzu kommen die ausufernde Korruption und Vetternwirtschaft der regierenden politische Eliten, sprich: die schlechte Regierungsführung. Wer daraus allerdings folgert, dass der ANC mit großer Wahrscheinlichkeit auf nationaler Ebene abgewählt wird, der irrt. Zum einen hat sich ein großer Teil der südafrikanischen Bevölkerung bereits frustriert von der Politik abgewandt; auch bei den kommenden Wahlen wird die Gruppe der Nichtwähler groß sein. Zum anderen darf man die Mobilisierungskraft der Regierungspartei in der heißen Wahlkampfphase nicht unterschätzen.

Dies liegt vor allem an ihrer guten Vernetzung in den ländlichen Regionen Südafrikas sowie an der Tatsache, dass die ehemalige Befreiungsbewegung in drei Jahrzehnten Herrschaft bedeutende Schlüsselpositionen in Politik und Verwaltung mit loyalen Anhängern besetzt hat. Diese Getreuen fürchten bei einer schweren Wahlniederlage des ANC um den Verlust ihrer Pfründe.

Außerdem halten insbesondere ältere schwarze Wähler, die sich noch gut an die menschenverachtende Zeit der Apartheid erinnern, der ehemaligen Befreiungsbewegung die Treue. Denn sie haben nicht vergessen, wer das Land in eine Demokratie überführt und allen Bevölkerungsgruppen gleiche Rechte als Staatsbürger gewährte.

Wahlausgang ist ungewisser denn je

Zur Wahrheit gehört weiterhin, dass der schrittweise Niedergang des ANC in den vergangenen Jahren nicht dazu führte, dass die Mehrheit der Südafrikaner in den Oppositionsparteien eine wählbare Alternative sieht. Zu oft haben sich diese – trotz zum Teil ähnlicher Politikinhalte – aufgrund persönlicher Differenzen selbst geschwächt und stellen deshalb für die Südafrikaner häufig keine attraktive Option dar.

In einem zunehmend fragmentierten und dynamischen Parteiensystem, welches bei dieser Wahl erstmalig die Kandidatur unabhängiger Kandidaten zulässt, ist der Wahlausgang ungewisser denn je. Vor allem eine ANC-Abspaltung mit dem Namen MK-Partei, angeführt vom 82-jährigen ehemaligen Staatspräsidenten Jacob Zuma, mischt die politische Landschaft in Südafrika massiv auf. Zuma gilt nicht nur als politischer Erzfeind des amtierenden Präsidenten Cyril Ramaphosa, sondern genießt trotz seiner verheerenden und korrupten Regierungsführung besonders bei der Zulu-Bevölkerung noch immer große Popularität.

Langjährige politische Gegner müssten zusammenarbeiten

Eine weitere Abspaltung des ANC aus dem Jahre 2013, die radikal-linkspopulistischen "Economic Freedom Fighters" (EFF), gelten aktuell als möglicher Koalitionspartner des ANC. In einem solchen Bündnis wäre der weitere Niedergang des Landes kaum aufzuhalten, denn die EFF träumen unter anderem von Enteignungen und Verstaatlichungen der Banken und Minen des Landes. Hieraus lässt sich keine zukunftsfähige Politik gestalten, die auf dringend notwendiges Wachstum, Investitionen und Beschäftigung setzt.

Es wäre dem Land zu wünschen, dass die knapp 27,8 Millionen registrierten Wähler an der Wahlurne einer reformorientierten Koalition zur Macht verhelfen. Infrage kämen hierbei Oppositionsparteien der politischen Mitte wie die "Democratic Alliance" (DA) oder die "Inkatha Freedom Party" (IFP), die sich zum Ziel setzen, die verkrusteten Strukturen aufzubrechen. Dies würde allerdings voraussetzen, dass langjährige politische Gegner bereit sind, zukünftig zum Wohle des Landes zusammenzuarbeiten, um die versöhnliche Politik der Post-Apartheid-Ära, die vom großen Staatsmann Nelson Mandela eingeleitet wurde, fortzusetzen.

Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten geben die Meinung der Autorinnen und Autoren wieder und entsprechen nicht notwendigerweise denen der t-online-Redaktion.

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