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Niedersachsen: Atommüll-Endlager Asse ist undicht – Bergung kaum möglich


Angekündigte Katastrophe
Endlager Asse ist undicht – Atommüll wohl nicht mehr zu bergen


17.05.2024Lesedauer: 3 Min.
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Protest gegen das Endlager Asse im Jahr 2012 (!) in Berlin: Damals war Pumpen statt Fluten noch eine Option. Heute offenbar nicht mehr.Vergrößern des Bildes
Protest gegen das Endlager Asse im Jahr 2012 (!) in Berlin: Damals war Pumpen statt Fluten noch eine Option. Heute offenbar nicht mehr. (Quelle: imago stock&people)

Im Problemlager Asse ist nach Recherchen des Spiegels so viel Wasser eingedrungen, dass eine geplante Bergung des Atommülls kaum mehr möglich scheint.

Das Atommülllager Asse II in Niedersachsen steht vor ernsthaften Problemen. Laut einem Bericht des "Spiegel" ist im April mehr Wasser in die Kavernen des ehemaligen Bergwerks eingedrungen als zunächst befürchtet und scheint dort verschwunden zu sein. Die Betreibergesellschaft, die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE), bestätigte dem "Spiegel", dass mehr als die Hälfte des eindringenden Wassers nicht gestoppt werden kann.

Laut Bericht handelt es sich um mehr als sechs Kubikmeter pro Tag. Eine Folie, die das Wasser in der Tiefe abhalten soll, ist beschädigt und daher nicht voll funktionsfähig. Darüber hinaus kann das Wasser nicht mehr nach oben gepumpt werden, da es potenziell durch den radioaktiven Abfall kontaminiert wurde.

Das Problem könnte dazu führen, dass das umstrittene Atommülllager schneller geflutet wird, als es in den schlimmsten Szenarien der BGE vorgesehen war. Dies macht es wahrscheinlich schwieriger, den Atommüll aus dem Lager zu bergen.

Kann das Salzbergwerk nur noch geflutet werden?

Aufgrund dieser Bedingungen prüft die BGE laut Informationen von Insidern, das ehemalige Salzbergwerk gezielt zu fluten und möglicherweise dauerhaft zu verschließen. Diese Option hat laut Bericht das Bundesamt für die Sicherheit der Nuklearen Entsorgung (BASE) überrascht und verärgert.

Die BGE antwortete auf eine Anfrage des "Spiegel": "Die BGE verfolgt die Rückholung der radioaktiven Abfälle weiter." Allerdings ist noch unklar, wie sich die aktuellen Ereignisse auf Kosten und Zeitplan der geplanten Müllbergung auswirken werden.

Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer (Grüne) äußerte seine Sorge über die Situation. "Ich bin besorgt", sagte er dem "Spiegel", "das Atomdesaster in der Asse schreibt ein neues Kapitel." Er forderte die BGE auf, "schnellstmöglich Maßnahmen zu ergreifen, um die unkontrollierte Ausbreitung von Salzlösung im Bergwerk zu verhindern und die Rückholung der radioaktiven Abfälle aus der Asse nicht zu gefährden".

Die Geschichte der Anlage

Die ehemalige Schachtanlage Asse in Niedersachsen, die eigentlich lediglich als Versuchsstandort für die Endlagerung radioaktiver Abfälle dienen sollte, ist seit Jahrzehnten als hochproblematisch bekannt. Die Anlage wurde ab 1965 als Forschungsbergwerk betrieben und zwischen 1967 und 1978 für die radioaktive Abfallendlagerung genutzt. Sie liegt im Höhenzug Asse, etwa zehn Kilometer südöstlich von Wolfenbüttel.

Bereits damals wussten die Betreiber, dass die Anlage nicht trocken war, wie es für Atommüll nötig ist, sondern dass permanent Wasser in das ehemalige Salzbergwerk eindringen konnte. Der Atommüll wurde in Metallfässer eingelagert, die eigentlich nur Transportbehälter waren und in salziger, feuchter Umgebung selbst instabil werden. Die wichtigste Barriere zum Einschluss der Radioaktivität ist das Salz des Salzstocks. Seit spätestens 1979 galt die Salzgrube als instabil, das Salz ist teilweise nur wenige Meter dick.

Ende der 1990er-Jahre wurden die verbliebenen Hohlräume aus dem ehemaligen Salzabbau verfüllt und 2007 wurde eine endgültige Schließung beantragt. Nach Presseberichten über radioaktiv kontaminierte Salzlauge im Jahr 2008 wurden Vorwürfe gegen den Betreiber laut, er hätte die Aufsichtsbehörden unzureichend informiert – eine Beschuldigung, die später offiziell bestätigt wurde. Seit dem 1. Januar 2009 wird die Anlage nicht mehr nach Bergrecht, sondern als ein Endlager nach Atomrecht betrieben. Es folgten mehrere Betreiber- und Verantwortungswechsel. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel bezeichnete Asse II im Jahr 2008 als "die problematischste kerntechnische Anlage, die wir in Europa finden".

Erst seit 2010 gibt es Untersuchungen zu Krebserkrankungen in der Region. Dabei zeigte sich, dass in der Region auffällig häufig Leukämie- und Schilddrüsenkrebserkrankungen auftraten, die außerdem überdurchschnittlich oft tödlich waren.

Flutung gilt als bedenklich

Um das Problemlager Asse aufzulösen, wurde die Flutung mit einem Schutzfluid als das aus bergmännischer Sicht einzig sachgerechte Vorgehen vorgestellt. Dies ist aber nicht mit den Anforderungen des Strahlenschutzes vereinbar. Es gibt Bedenken, dass dadurch ein Teil des radioaktiven Inventars gelöst wird und über Jahrhunderte durch die porös verfüllten Hohlräume des verschlossenen Bergwerks diffundiert.

Im Januar 2010 schlug das Bundesamt für Strahlenschutz vor, den Atommüll komplett aus dem maroden Lager zu bergen. Die Optionen einer Einbetonierung der Fässer oder ein Umlagern der Fässer in tiefere Schichten waren zuvor verworfen worden. Im Jahr 2033 sollte mit der Bergung begonnen werden. Dazu wird es nun wohl nicht mehr kommen.

Verwendete Quellen
  • Vorabmeldung Spiegel
  • Eigene Recherche
  • Epidemiologisches Krebsregister Niedersachsen: Berichte
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