Testbericht Chevrolet Bolt will die Elektroauto-Konkurrenz aufmischen
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Dieses Elektroauto könnte erfolgreich werden: Der Chevrolet Bolt polarisiert nicht mit schrägem Design. Er punktet mit viel Platz, einer Reichweite von über 300 Kilometern und einem Schnäppchen-Preis. Wie es um die Alltagstauglichkeit steht, zeigt ein erster Test.
Nachdem der Opel Ampera zum Flop wurde und auch als Chevrolet Volt in den USA nur ein Spartendasein fristet, geht General Motors nun mit dem Chevrolet Bolt in die Vollen.
Chevrolet Bolt: Elektroauto für die Massen
Tesla-Chef Elon Musk wird sich den Chevrolet Bolt (übersetzt: Blitz) genau anschauen. Schließlich will Musk bald ein Volumen-Elektroauto für rund 30.000 Euro auf den Markt bringen. Zunächst soll der Chevrolet Bolt aber vor allem Nissan Leaf und BMW i3 das Leben schwer machen.
Ein paar Minuten hinter dem Steuer und ein paar Meilen Testfahrt zeigen: Das dürfte gelingen. Zudem hat das vier Meter lange Elektromobil beste Chancen als Opel-Blitz auch den Sprung nach Europa zu schaffen.
Elektroauto ohne Firlefanz
Dabei ist der Chevrolet Bolt vor alle eines: ein ganz normales Auto. Fünf Türen, kompakte Abmessungen, jede Menge Platz im Inneren und eine Serienausstattung, die die Konkurrenz ebenso in Wallung versetzen dürfte wie eine Reichweite von 320 Kilometern und ein Preis von unter 30.000 Euro. "Die Batterie befindet sich flach im Fahrzeugboden", erklärt GM-Entwickler Patrick Foley.
So sorgt die Batterie nicht nur für die entsprechende Reichweite von 200 Meilen, sondern auch die Steifheit der Karosserie. Im Gegensatz zum teuren BMW i3 besteht die Struktur des Bolt aus handelsüblichen Materialien wie Stahl und Kunststoff. Trotzdem liegt bei Gewicht mit knapp über 1,6 Tonnen nicht allzu weit von i3 entfernt, den BMW mit gigantischem Aufwand und entsprechenden Kosten aus Karbon und Aluminium fertigt.
Unspektakulärer Innenraum
Der Innenraum wirkt ebenso alltagstauglich und unspektakulär wie das Äußere des Chevrolet Bolt. Vorne und hinten gibt es dank 2,60 Metern Radstand genügend Platz für vier Personen.
Angenehm sind im Fond die tiefen Türausschnitte, die ein einfaches Ein- und Aussteigen ermöglichen. Der fehlende Mitteltunnel sorgt für Bein- und Fußfreiheit. Der tiefe Ladeboden bietet 450 Liter Gepäckvolumen.
Das Cockpit wird dominiert von zwei animierten Displays. Die Instrumente vor dem Fahrer werden virtuell dargestellt, ebenso das zentrale Bedienmodul in der Mittelkonsole. Das könnte sich gemessen an den neusten Modellen etwas konturschärfer und hochwertiger präsentieren; aber wir sind eben in einem vergleichsweise günstigen US-Volumenmodell unterwegs. Das merkt man auch den Verkleidungen, Sitzen und Applikationen an. Premiumcharme hat hier nichts.
Flotter Stromer
Auf der Straße zeigt sich der Prototyp des Bolt überaus ausgeschlafen. Mit einer Leistung von 150 kW / 204 PS und einem maximalen Drehmoment von 360 Newtonmetern geht es vom Start weg flott zur Sache. Über den Getriebewählhebel den Vorwärtsgang eingelegt und los. Null auf Tempo 100 schafft der Fronttriebler in gerade einmal sieben Sekunden. Seine Höchstgeschwindigkeit wird bei schmalen 145 km/h abgeriegelt.
Das 435 Kilogramm schwere Akkupaket mit 288 Zellen und einer Kapazität von 60 kWh (produziert vom koreanischen Batteriespezialisten LG in Incheon) macht sich durch einen besonders niedrigen Schwerpunkt bemerkbar. Der 1,6 Tonnen schwere Bolt zischt mit leichtem Untersteuern durch die Pylonengasse: "Gerade in den Kehren macht sich auch die ausgeglichene Gewichtsverteilung von 50:50 bemerkbar." so Foley. Anteil am soliden Fahrverhalten haben auch die 215er-Energiespar-Reifen, die den Tatendrang des Piloten adäquat auf die Straße bringen.
Voll vernetzt gegen die Reichweiten-Angst
Über den 10,3 Zoll großen Touchscreen lassen sich neben der Vernetzung mit der Außenwelt, der Bedienung von Klimaautomatik, Navigation auch Apple Car Play, Android Auto oder die verschiedenen Fahrzustände und Energieflüsse modifizieren. Per Smartphone-App erfährt der Fahrer, wann das Auto zu einer Inspektion muss und kann seine Navigationsdaten laden.
Dabei bietet das Navigationssystem auf Wunsch staufreie oder batterieschonende Routen an und weist bei Bedarf den Weg zu nahegelegenen Ladestationen. Über einen separaten Taster lässt sich der Sportmodus ansteuern. Dann gibt es zwar nicht mehr Leistung, aber eine geänderte Gaspedalkennlinie und der Bolt zischt noch etwas flotter über die lange Gerade der Teststrecke. Über das Lenkradpedal lässt sich zudem die Bremsenergie-Rückgewinnung beeinflussen.
Schnellladung in einer Stunde
Bei entsprechender Stromversorgung an einer Ladesäule soll sich die Batterie des Bolt in einer Stunde zu rund 80 Prozent wieder aufladen. An der normalen Haushaltssteckdose erstarkt der Chevy Bolt in zwei Stunden zu einer Reichweite von 80 Kilometern.
Zum Marktstart im vierten Quartal 2016 muss der Bolt noch mit einem Funkschlüssel geöffnet werden. In der ersten Jahreshälfte 2017 wird die Bolt-App dann mit einer Zusatzfunktion versehen, dass sich der Elektro-Chevrolet per Near Field Communication (NFC) auch mit dem eigenen Smartphone öffnen und verschließen lässt. "Das wird nicht nur für die Kunden, sondern insbesondere für das Carsharing besonders wichtig." so Entwickler Foley.
Optional Kamera statt Rückspiegel
Der Innovationsdrang der Amerikaner zeigt sich auch bei einem Blick in den Rückspiegel. Wo gewöhnlich ein analoges Spiegelbild den Bereich hinter dem Fahrzeug wiedergibt, erstrahlt beim Chevrolet Bolt zumindest optional ein Kamerabild, das den Blick einer Weitwinkelkamera nach hinten zeigt.
Wann kommt der E-Opel?
Ende des Jahres kommt der Chevrolet Bolt zunächst in den USA auf den Markt - zu Preisen von rund 30.000 Dollar inkl. entsprechend regionaler Vergünstigungen. Opel dürfte bereits mit den Hufen scharren, denn nach dem erfolglosen Hybridmodell Ampera fehlt ein Fahrzeug mit alternativem Antrieb im Portfolio. "Der Bolt ist mehr als ein Auto, es ist eine upgradefähige Plattform", so GM-Chefin Mary Barry.