Libidostörung in der Schwangerschaft Wenn dem Mann die Lust auf die eigene Frau vergeht
Eine schwangere Frau, der es gut geht, strahlt etwas ganz Besonderes aus. Sie findet sich schön, hat strahlende Augen, glänzende Haare und gut durchblutete Haut. Und oft auch mehr Lust auf Sex – im Gegensatz zu ihrem Partner. Über ein häufiges Problem bei werdenden Eltern.
Diese Bilder im Kopf
Genaue Zahlen, wie viele Männer unter chronischer Unlust während der Schwangerschaft ihrer Frau leiden, gibt es nicht. Schon allein deswegen nicht, weil es ein Tabuthema ist. Und trotzdem gibt es Männer, die Worte dafür finden. So wie Johann, der zwei Kinder mit seiner Partnerin hat: „Ich kenne durchaus Männer, die, als ihre Frauen schwanger waren, fremdgegangen sind. Das wäre für mich nicht in Frage gekommen. Unlust-Probleme hatte ich zwar auch, habe aber mit ihr geschlafen, weil sie so ein Bedürfnis nach Nähe hatte und ich sie über alles liebe.“
Ganz einfach war das für den heute 48-Jährigen nicht. „Ich musste dauernd gegen dieses Bild ankämpfen, bei dem ich mit meinem Penis gegen den Kopf des Babys stoße.“ Johann ist mit diesen Bildern im Kopf nicht alleine. In vielen Foren findet man männliche Gedanken darüber, dass der Penis ja dann das Erste sei, was das Kind sehe oder dass das Baby vielleicht verletzt werden könnte, weil man so gut bestückt sei.
„Da muss sich kein Mann Sorgen machen, so gut bestückt ist er mit Sicherheit nicht“, sagt der Sylter Urologe Wolfgang Bühmann und schmunzelt. Schließlich ist das Baby bis zum Ende der Schwangerschaft durch den geschlossenen Muttermund gut geschützt. „Und selbst wenn der Muttermund bereits leicht geöffnet sein sollte, alles schon weich ist und erste Senkwehen stattgefunden haben, bis an den Kopf wird der Mann nicht kommen, da sind von Natur aus genügend Barrieren eingebaut“, erklärt die Erlanger Hebamme Alexandra Mück.
Frau und Mutter – das ist für manche Männer unbewusst schwer verständlich
„Hinter solchen Behauptungen stecken Ängste, die viele Männer befallen, wenn ihre Frauen schwanger sind. Sie haben Angst, der werdenden Mutter weh zu tun oder dem Kind zu schaden.“ Urologe Bühmann erklärt im Gespräch mit t-online.de, dass Männer während der Schwangerschaft eine Kombination aus Angst und Fürsorge entwickeln. Sie wissen nicht, wie sie mit der Frau umgehen sollen, die hier zur Mutter wird. Weder seelisch noch körperlich, sie ist ihnen zumindest momentweise völlig fremd und manche Männer fühlen sich auch ausgeschlossen. „Da gehen sie lieber arbeiten oder kegeln und geben dort kräftig damit an, dass sie ein Kind gezeugt haben.“
Immer wieder wird vermutet, dass sich auch bei Männern während der Schwangerschaft der Hormonspiegel verändert, sie weniger Testosteron produzieren und häuslicher werden. „Das ist sicher nicht der Grund für die Unlust der Männer. Denn theoretisch könnten sie sofort weitere Kinder zeugen, da funktioniert alles einwandfrei. Deswegen sprechen wir hier auch nicht von Impotenz, sondern von einer Libidostörung.“
Sex in der Schwangerschaft: Eine Frage des Respekts?
Das Thema Sex kann während der Schwangerschaft schnell zu einem Problem werden. Für die Frau mit ihrem wachsenden Bauch und sich dauernd verändernden Körper, die oft mehr Lust als sonst verspürt, ist es nicht gerade schmeichelhaft, wenn der Mann sich bei Annäherungsversuchen wegdreht.
„Diese Männer sind vielleicht nicht dumm, aber doof. Sie nutzen ihre Intelligenz nicht“, so Bühmann, der selbst vierfacher Vater ist. „Eine schwangere Frau ist ganz besonders attraktiv. Und es gibt viele respektvolle Wege, ihr zu zeigen, dass sie wertvoll für einen ist, dass es toll ist, was da gerade passiert. Auch dann, wenn man selbst gerade wenig Lust auf Sex verspürt.“ Beide müssen sich nur darauf einlassen – und können so auch das eine oder andere später ins Liebesleben ergänzend integrieren. Das kann auch der sich jetzt verändernden Partnerschaft zur Elternschaft einen ganz anderen Kick geben.
Vom Liebhaber zum werdenden Vater – das eine schließt das andere nicht aus
Schwangere Frauen sind, gerade beim ersten Kind, oft selbst ziemlich verunsichert. Was darf man, was nicht? Ein Dauerthema bei den Vorbereitungsabenden. Im letzten Jahrhundert wurde viel tabuisiert. Dadurch, dass Mütter keine Erfahrungen mehr an ihre Töchter weitergaben beziehungsweise irgendwann auch nicht mehr weitergeben konnten, ging auch weibliches Allgemeinwissen verloren. Das merkt man auf vielen Gebieten wie zum Beispiel dem Stillen, wo sich Frauen erst seit den Neunziger Jahren wieder ihr Terrain erkämpft haben.
Diese grundsätzliche Verunsicherung strahlt auch auf den Mann aus und verstärkt dessen Angst. Hier hilft nur miteinander reden, aufeinander eingehen. Kombiniert mit der richtigen Portion an Information und gesundem Menschenverstand. „Natürlich sollte sich ein 140 Kilogramm schwerer Mann nicht mit vollem Schwung leidenschaftlich auf seine schwangere Frau werfen, aber man würde sich ja auch nicht auf ein Baby setzen. Und die Frauen steuern das schon. Sie spüren genau, was ihnen und damit auch dem Baby guttut und vermeiden instinktiv Positionen, die ihrem Kind schaden könnten.“
Wie das Kind entsteht, so kommt es auf den Weg
So mancher Mann hätte es sich in jungen Jahren nie vorstellen können, dass er sich zum Sex gezwungen fühlt. Und doch gibt es eine Situation in der Schwangerschaft, bei der viele von genau diesem Gefühl berichten. Es ist ein unter Frauen bekannter Trick: Wenn das Baby ein wenig überfällig ist und nicht so richtig in die Gänge kommen mag, dann können Prostaglandine helfen. Und die sind auf ganz natürliche Weise im Sperma enthalten.
„Meine Frau hatte so eine Angst vor dem Einleiten der Wehen, dass sie es unbedingt probieren wollte. Ein bisschen Probleme hatte ich schon bei dem Gedanken, aber dann habe ich mir gedacht, wer weiß, wann wir das nächste Mal ohne Baby sein werden, da sollten wir es richtig auskosten.“ Und schließlich wusste Johann, was von ihm erwartet wurde: Denn ein Orgasmus der Frau steigert die Chancen auf den Geburtsbeginn. „Ich war dann auch so ein bisschen stolz, dass kurz danach die Wehen anfingen. Ich hatte das Gefühl, nicht nur zur Zeugung, sondern auch zur Geburt beigetragen zu haben.“
Prostaglandine können Wehen auslösen
Prostaglandine können Wehen auslösen, aber erst, wenn Mutter und Kind soweit sind. „Keine Sorge“, beruhigt Alexandra Mück, „das Hormon kann bei einer normal verlaufenden Schwangerschaft keine Frühgeburt auslösen, sondern greift erst dann, wenn die Hirnanhangdrüse der Frau zur Geburt bereit ist und Oxytocin ausschüttet.“ Nur Frauen, bei denen die Gefahr einer Frühgeburt besteht, müssen vorsichtig sein. Sie sind auch die einzigen, denen von medizinischer Seite her vom Sex abgeraten wird.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.