Tuchel und die Bayern Das ist das Ablaufdatum der Zusammenarbeit
Die subjektive Sicht zweier Autoren auf ein Thema. Niemand muss diese Meinungen übernehmen, aber sie können zum Nachdenken anregen.
Beim FC Bayern knirscht es fast jede Woche. Zwischen Trainer und Team. Zwischen Trainer und Vorstand. Kehrt da mit Tuchel niemals Ruhe ein?
Drei Jahre hintereinander ist der FC Bayern nicht über das Viertelfinale der Champions League hinausgekommen, scheiterte an Paris, Villareal und Manchester City. Umso größer müssten der Hunger und die Ambitionen in dieser Saison und vor dem Auftakt am Mittwoch gegen Manchester United sein (ab 21 Uhr im Liveticker bei t-online). Wären da nicht die kleineren und größeren Streitereien beim deutschen Rekordmeister ...
Seit Thomas Tuchel Trainer des FC Bayern ist, knirscht es immer wieder. Zwischen Trainer und Mannschaft genauso wie zwischen Trainer und Verantwortlichen. So widersprach Tuchel den Bossen offen bei der Einschätzung des Kaders, brachte seine Enttäuschung über geplatzte Transfers zum Ausdruck oder stellte Leistungsträger wie Joshua Kimmich, Leon Goretzka oder Thomas Müller infrage. Oder er stellte seine Ratlosigkeit nach schwachen Leistungen offen zur Schau.
Nun brodelte es beim 2:2 gegen Bayer Leverkusen am vergangenen Freitag an allen Ecken und Enden beim FC Bayern. Fast immer mittendrin: Thomas Tuchel. Fans und Experten fragen sich deshalb vor dem Start in die Championa-League-Saison:
Wird beim FC Bayern unter Thomas Tuchel jemals Ruhe einkehren?
Ja, Tuchel zieht doch die Aufmerksamkeit bewusst auf sich
Natürlich kann Tuchel den Bayern so etwas wie Ruhe geben. Das hat er auch schon getan. Die vergangene Saison hat das gezeigt. Da wurde Bayern mit Ach und Krach, Glück und der Dummheit der Dortmunder doch noch Deutscher Meister – und Tuchel sagte: Die Meisterschaft hefte ich mir nicht an, aber wenn wir nicht Meister geworden wären, hätte ich das auf meine Kappe genommen.
Genau deshalb ist er der Richtige in München: Er zieht die Aufmerksamkeit, die Kritik auf sich – sogar den Hass einiger Beobachter und Fußballfans – und schenkt damit seinem Team eine gewisse Ruhe. Die Mannschaft kann in seinem Windschatten durch die Saison segeln, steht nicht mehr so sehr im Fokus. Zumindest nicht so wie er.
Tuchel nimmt dafür sogar in Kauf, zu polarisieren. Er ist quasi der Good Cop und der Bad Cop in einem. Der Star ist der Trainer? Na ja, das alleine sicher nicht, der FC Bayern besteht ja fast nur aus Stars. Aber: Der Buhmann, der Provokateur, an dem sich alle abarbeiten – das ist beim FC Bayern der Trainer.
Trotzdem ist es nicht immer Tuchel, der für Ärger und Diskussionen verantwortlich ist. Es sind die Spieler. Logisch, denn das sind alles Persönlichkeiten. Müller ist laut und lässt sich den Mund nicht verbieten. Er schimpft über den Schiri nach dem Unentschieden gegen Leverkusen. Kimmich im Formtief zeigt in jedem Blick seinen Frust, ja, seine Wut. Und wie geht Tuchel mit solchen Störfaktoren um? Er strahlt Gelassenheit aus, als wäre das alles die normalste Sache der Welt.
Tuchel-Vorgänger Julian Nagelsmann hat es nicht geschafft, langfristig für Ruhe zu sorgen. Deshalb musste er gehen und deshalb war das Geschrei in München groß. Unter Tuchel ist es nicht so – und es wird auch nicht so werden.
Nein, Tuchel und Bayern sind einfach eine explosive Mischung
Schon wieder neuer Ärger! Tuchel sieht Gelb, sein Co-Trainer Rot. Kimmich ist wütend aufgrund seiner frühen Auswechslung. Müller meckert über den Schiedsrichter, Experte Hamann über den Umgang mit Kimmich, und die Fans darüber, dass Tuchel nun schon die Ersatzspieler beim Training hinter Planen am Zaun vor ihnen versteckt.
Überall Gemecker, überall Unzufriedenheit.
Und das sind nur die Kleinigkeiten vom Wochenende nach dem 2:2 gegen Leverkusen. Viel schwerwiegender sind die Differenzen bezüglich der Kaderplanung. Und natürlich die wechselhaften sportlichen Leistungen.
Keine Frage: Solange Tuchel Trainer bei Bayern ist, wird hier nie Ruhe einkehren.
Warum das so ist? Weil Tuchel die größte Fußballkompetenz im Klub für sich beansprucht. Das Problem ist, dass die Bosse das ebenfalls tun. Für sich. Der Trainer lässt sich aber nicht den Mund verbieten. Er sagt, was er denkt. Er nimmt keine Rücksicht auf Chefs oder Spieler – und deshalb kracht es jede Woche aufs Neue.
Kurzfristig erfolgreich ist er damit immer wieder. Eine langfristige Zusammenarbeit jedoch ist kaum möglich. Das war in Dortmund so, bei Paris und Chelsea. Überall war spätestens nach zweieinhalb Jahren Schluss. Es wird auch bei Bayern so sein. Das ist das Ablaufdatum der Zusammenarbeit. Will der Verein Ruhe, braucht er einen neuen Trainer. Wen, das sehen Sie hier im Video.
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