Schwangerschaftsmythos Werden Jungs häufiger vor dem errechneten Entbindungstermin geboren?
Geschlechtsspezifische Zuordnungen prägen von Kindesbeinen an den Alltag – egal ob es sich um Klischees bei bestimmten Verhaltensweisen oder um Erkenntnisse der Genderforschung handelt. Kann es aber sein, dass viele Jungs bereits am Tag ihrer Geburt anders getaktet sind?
Obwohl sich heute die meisten werdenden Eltern für aufgeklärt und medizinisch gut informiert halten, ist das Interesse an Schwangerschaftsmythen nach wie vor groß. Zu faszinierend scheint es für viele zu sein, den Wahrheitsgehalt solcher Thesen zu hinterfragen. Davon zeugen rege Diskussionen in einschlägigen Foren und sozialen Netzwerken.
Baby-Mythen ziehen immer noch viele in ihren Bann
Redebedarf besteht unter anderem zu der Frage, ob Mädchen die Tendenz haben, eher nach dem errechneten Termin, Jungs dagegen eher vorher auf die Welt zu kommen. Die Erklärung für die häufige Verspätung des "schönen Geschlechts" liefert das Ammenmärchen gleich mit: Mädchen würden sich vor der Geburt oft Zeit lassen, weil sie sich erst noch hübsch machen müssten.
"So nett dieser Baby-Mythos auch klingt – meines Erachtens ist da nix dran", kommentiert Max in einem Chat. "Wir haben es genau umgekehrt erlebt. Unser Sohn kam eine Woche zu spät, unsere jüngere Tochter sogar zwei Tage vor dem Entbindungstermin. Von wegen hübsch machen!"
Alles doch nur Zufall?
"Bei uns war es tatsächlich so, dass meine ältere Tochter erst eine Woche später als errechnet geschlüpft ist. Dafür kam meine zweite Tochter überpünktlich. Insofern trifft diese angebliche Regel bei uns nur zu 50 Prozent zu. Hängt wohl doch alles eher vom Zufall ab", meint eine andere Mutter.
Und Laura schreibt: "Ich glaube nicht, dass das Erscheinungsdatum bei Babys etwas mit dem Geschlecht zu tun hat. Meine zwei Kinder – ein Sohn und eine Tochter – waren beide über eine Woche verspätet, so dass die Geburt jedes Mal eingeleitet werden musste. Der Entbindungstermin wurde also eher durch Entscheidungen der Geburtshelfer beeinflusst."
"Geschlechterverhältnisse" untersucht
Wissenschaftliche Untersuchungen zu diesem Schwangerschaftsmythos gibt es hierzulande keine. Gesichert sind aber allgemeine Zahlen zum Geburtszeitpunkt, die sich auf alle Neugeborenen beziehen – ohne eine geschlechtsspezifische Differenzierung. So erblicken insgesamt nur rund vier Prozent aller Babys genau zum errechneten Zeitpunkt das Licht der Welt und etwa 27 Prozent der Kinder werden in der Woche rund um den errechneten Termin geboren.
Studie: Jungs mögen es ein bisschen pünktlicher
US-amerikanische Demografen und Genetiker aus Cambridge bei Boston legten jedoch vor knapp zwei Jahren eine Studie vor, in der sie die Geschlechterverhältnisse in mehreren Phasen von der Zeugung bis zur Entbindung gemessen und analysiert haben.
Eine Erkenntnis dieser vielschichtigen Forschungen war, dass männliche Babys tatsächlich durchschnittlich ein wenig früher geboren werden als Mädchen. Das berichtete die Deutsche Apothekerzeitung.
Danach beträgt bei Schwangeren in den USA der Anteil männlicher Feten bis zu 36. Schwangerschaftswoche circa 51 Prozent und sinkt dann bis zur 39. Woche auf rund 49 Prozent, weil viele Jungen dann bereits geboren sind. Wie die detaillierte Statistik für die Mädchen in diesem Punkt ausgefallen ist und welche Ursachen hinter den geringfügigen Timing-Unterschieden stecken, erfährt man in den Studienauszügen nicht.
Expertin schenkt dem Ammenmärchen wenig Glauben
Die Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe Dr. Isolde Voltz will aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung mit werdenden Müttern den Wahrheitsgehalt dieses Mythos nicht bestätigen. Obwohl sie dazu keine Statistik führe, könne man anhand von Geburtsterminen, die in Relation zu dem errechneten Entbindungstermin gesetzt werden, nicht sagen, dass es Unterschiede bezüglich der Pünktlichkeit zwischen männlichen und weiblichen Babys gebe.
"Wann eine Entbindung letztendlich in Gang kommt und wie lange es dauert, ist von zahlreichen Faktoren abhängig – sei es von der körperlichen Verfassung der Mutter oder von bestimmten medizinischen Indikatoren, die den Fötus betreffen. Da gibt es so viele Unbekannte in dieser komplexen Gleichung, dass man beim Blick auf das Timing und die Umstände eines Geburtsgeschehens nicht allein nur einen Aspekt betrachten darf."
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.