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KI-Konferenz "Rise of AI": Risiken und Chancen von Künstlicher Intelligenz


Risiken und Chancen von KI
"Ein Tsunami, der die Menschheit überschwemmt"

InterviewVon Marcel Horzenek

16.05.2024Lesedauer: 5 Min.
Interview
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Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.

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Halb Mensch, halb Roboter: Künstliche Intelligenz wird in elementare Lebensbereiche wie Bildung eindringen.Vergrößern des Bildes
Halb Mensch, halb Roboter: Künstliche Intelligenz wird in elementare Lebensbereiche wie Bildung eindringen. (Quelle: KI-Symbolbild)

Am Mittwoch fand in Berlin die KI-Konferenz "Rise of AI" statt. t-online hat mit dem Veranstalter über Risiken und Chancen Künstlicher Intelligenz gesprochen.

Künstliche Intelligenz (KI) entwickelt sich mit unglaublicher Geschwindigkeit weiter. Die US-Firma OpenAI hat am Dienstag die neueste Version ihres Chatbots ChatGPT vorgestellt. Auch auf Googles Entwicklerkonferenz I/O drehte sich am selben Abend alles um das Thema KI.

Fabian J. G. Westerheide sieht das Potenzial dieser Technologie schon lange. Seit 2014 treibt er die Entwicklung voran und investiert in KI-Unternehmen. Nicht umsonst zählt er zu den bekanntesten Köpfen der deutschen Tech- und KI-Szene. 2016 initiierte er die erste "Rise of AI"-Konferenz, Europas einflussreichstes Treffen für die KI-Branche, die in dieser Woche in Berlin stattfand.

t-online: Viele Menschen haben Angst davor, wie Künstliche Intelligenz ihr Leben verändern wird. Wie begründet ist diese Angst?

Fabian Westerheide: Ich glaube, sie ist unbegründet. Keiner muss Angst vor der KI haben. Ich habe mehr Angst vor der Unfähigkeit unserer Bevölkerung und unserer Politik, sich darauf vorzubereiten.

(Quelle: Jens Braune del Angel)

Zur Person

Fabian J. G. Westerheide gilt als einer der führenden Köpfe im Bereich der Künstlichen Intelligenz in Deutschland. Als Gründer und CEO der AI for Humans GmbH ist er Berater zahlreicher Regierungsinstitutionen und Fortune-500-Unternehmen. Zusammen mit seiner Frau ist er Gastgeber der jährlichen Konferenz "Rise of AI", dem Branchentreffen für die zentralen Akteure des deutschen KI-Ökosystems.

Was genau meinen Sie?

KI ist ein Werkzeug, und ein Werkzeug lässt sich immer für Gutes und Schlechtes benutzen. KI kann Leben retten und sie kann Leben nehmen. Es ist immer der Mensch, der dahintersteckt und die KI trainiert, gut oder böse zu sein. Kriegsführung funktioniert schon lange nicht mehr über das Militär, sondern über Desinformationssteuerung. Wie sabotiere ich die Bevölkerung? Ich schicke doch keine Truppen. Wir müssen keine Angst davor haben, dass die chinesischen Drohnen hier rüberfliegen. Sie müssen nur Desinformation streuen und den Strom abschalten – und dann bringen wir uns gegenseitig um.

Was müsste also getan werden, um die Entwicklung positiv zu gestalten?

Zunächst einmal müssen Unternehmen, Politik, Verwaltung das Thema endlich ernst nehmen. KI ist ein Tsunami, der die Menschheit überschwemmt. Wir können die Welle nicht aufhalten, aber wir können sie proaktiv reiten. Nur wenn wir KI in Europa selber steuern, können wir sie ethisch korrekt machen, können wir sie wertbeständig machen für unsere Kultur. Wenn wir das Thema weitere zehn Jahre verschlafen, dann gibt es bald keine digitale deutsche Sprache mehr. Die wird dann nur noch mündlich gesprochen – generiert von einer amerikanischen KI.

Was konkret fordern Sie?

Eine Zukunftsvision, die Fragen beantwortet wie: Wie lässt sich Deutschland in den nächsten zehn bis 30 Jahren in diesem Bereich voranbringen? Und wie nehme ich den Leuten die Ängste vor der Zukunft? Für Letzteres brauchen wir eine Imagekampagne: KI ist ein großartiges Werkzeug. Jeder Arzt weiß, wie wichtig KI ist. Im Krankenhaus kann sie Leben retten. Wir brauchen positive Geschichten …

... aber Sie selbst entwerfen viele Schreckensszenarien ...

Ich mache Angst und Panik für die Leute, die ich nur mit Angst und Panik erreichen kann. Politiker und Wirtschaftsakteure haben Angst, etwas zu verlieren. Aber für die, die nichts haben, ist KI großartig.

Inwiefern?

Wohlstand lässt sich mithilfe von KI zum ersten Mal fair verteilen, niemand muss mehr hungern. Durch kostenlose KI-Programme können wir die ganze Welt fortbilden, sodass jeder die gleichen Chancen hat. Wir können das Mehrklassensystem in der Gesundheit abschaffen, damit jeder eine gute Gesundheitsversorgung bekommt. Wenn jeder Mensch einen smarten Ring trägt und eine KI uns dabei hilft, uns bewusst zu ernähren und öfter zu bewegen, können wir vielen Herz-Kreislauf-Problemen vorbeugen, genauso wie vielen Wohlstandskrankheiten.

Das hört sich in der Theorie gut an. Aber wie lässt sich das in die Praxis umsetzen?

Ich möchte, dass die Leute Verantwortung übernehmen, die reich geworden sind, weil sie auf dieser Gesellschaft aufgebaut haben. Dieter Schwartz (Eigentümer der Schwarz-Gruppe, zu der auch Kaufland und Lidl gehören, Anm. d. Red.) investiert eine Milliarde in KI und Bildung. Susanne Klatten (Unternehmerin und BMW-Großaktionärin, Anm. d. Red.) hat Hunderte Millionen in KI und Bildung gesteckt. Wo sind die anderen 2.000 Millionäre und Milliardäre, die wir in Deutschland haben? Wo sind denn deren große Programme für die Menschheit?

Dystopie und Schreckensszenarien verkaufen sich besser als gute Nachrichten. Wie lassen sich die Menschen mit positiven Geschichten erreichen?

Wir müssen ihnen anschaulich zeigen, wo KI schon jetzt zum Wohle der Menschheit zum Einsatz kommt. Mein Lieblingsbeispiel sind immer Flugzeuge: zwei Bordcomputer, zwei Back-up-Systeme und dann noch mal zwei Menschen als Back-up. Der Mensch kommt nur im Notfall zum Einsatz, der Flug wird die ganze Zeit autonom gesteuert. Ich würde nicht mehr ohne KI fliegen wollen.

KI in der Medizin

Auch in der Medizin wird KI heute schon eingesetzt – zum Beispiel zur Früherkennung von Hautkrebs: Der Körper wird mithilfe von Laserstrahlen gescannt, die KI kann sowohl bösartige Veränderungen als auch Muttermal-Neubildungen in einem frühestmöglichen Stadium erkennen und schlägt im schlimmsten Fall Alarm.

Das Universitätsklinikum Essen hat ein eigenes Institut für KI in der Medizin. Die Klinik nutzt unter anderem ein Tool, das bei der sprachlichen Erfassung von medizinischen Dokumenten hilft. Bei Bedarf übernimmt es die Übersetzung ins Deutsche, kommt als Übersetzungstool bei der Arzt-Patienten-Kommunikation und zur beschleunigten Dokumentation zum Einsatz – etwa beim Verfassen von Befunden, schreibt die "Ärzte Zeitung".

Sie fordern einen ethisch korrekten Umgang mit KI. Genau das hat die EU mit dem KI-Gesetz (AI Act) versucht: Es reguliert Künstliche Intelligenz und setzt Standards. Ist es das, was Ihnen vorschwebt?

Nicht wirklich. Wir sehen es jetzt schon: Manche Programme können wir in Deutschland nicht nutzen – oder erst deutlich später. Der Chatbot Claude von Anthropic ist besser als ChatGPT, in Deutschland aber erst seit dieser Woche verfügbar. Die haben lange gesagt: Wir machen das in der EU nicht – einfach wegen der Regularien. Wir haben in Deutschland nicht mehr den Zugriff auf die besten Technologien. Wir als Europäer haben ein Internet zweiter Klasse – und das wird nur schlimmer.

Was machen die Europäer falsch?

Es ist richtig, dass wir KI regulieren. Aber der AI Act ist konzeptionell falsch, weil er versucht, jetzt schon alles präventiv zu regulieren, während die Technologie sich komplett anders entwickelt. Das Auto wurde auch nicht fertig auf den Markt gebracht, mit all den Funktionen, die wir heute haben – wie den Airbag. Es wäre wichtiger, Instrumente zu haben, um Dinge nachzujustieren. Der AI Act wird aber trotzdem mittelfristig Standards setzen.

Wie das?

Er wird dazu beitragen, dass wir Standards bei den großen amerikanischen Tech-Firmen bekommen, denn die werden sich den europäischen Markt nicht nehmen lassen. Das heißt, wir bekommen zwar die gute Technologie von Google und Co. Aber die Spitzentechnologie von den vielen Start-ups da draußen – die kriegen wir nicht.

Ist die Politik beim AI Act also übers Ziel hinausgeschossen?

Auf jeden Fall. Der AI Act beantwortet Digitalisierung mit Bürokratie. Im ersten Entwurf des Gesetzes wurde vorgeschlagen, dass es immer jemanden geben soll, der 24 Stunden vor dem Ausschalter sitzt. Als ob man eine KI einfach ausschalten könnte. Da wurden Gesetze von Leuten geschrieben, die nicht technikaffin sind, die glauben, sie könnten juristisch eine Technologie steuern. Das Beste an dem Gesetz ist, dass KI sich selbst klassifizieren muss. Deepfakes oder generierte Texte müssen gekennzeichnet werden. Wenn mich ein Chatbot anruft, muss er sagen, dass er ein Chatbot ist. Das finde ich großartig, aber die anderen 90 Prozent können sie aus meiner Sicht wieder rausnehmen.

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Vielen Dank für das Gespräch!

Am 15. Mai ist das Buch "Die KI-Nation: Zwischen Dystopie und Utopie" von Fabian Westerheide erschienen. Darin erklärt er die komplexen Mechanismen der KI-Entwicklung und zeigt auf, wie Deutschland an der Spitze dieser Revolution stehen kann. Das Buch ist im Softcover-Format zum Preis von 19,99 Euro auf der Website des Autors sowie bei Amazon erhältlich.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Fabian J. G. Westerheide
  • aerztezeitung.de: "Warum die Uniklinik Essen auf KI setzt"
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