"Gewaltige Lücken" Experten: So entwickelt sich die Wirtschaft 2024
Nur ein Bereich sendet gerade positive Signale an die deutsche Wirtschaft. Für einen echten Aufschwung reiche das nicht aus, warnen Experten – und sagen, was nun dringend getan werden muss.
Trotz des guten Starts ins neue Jahr kommt die deutsche Wirtschaft nach Einschätzung der IW-Forscher 2024 nicht über eine Stagnation hinaus. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) werde nur auf dem Wert des vergangenen Jahres verharren, heißt es in der neuen Konjunkturprognose des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), die der Nachrichtenagentur Reuters am Mittwoch vorlag. Unternehmensbefragungen signalisierten eine schwache wirtschaftliche Entwicklung.
"Vor allem die Industrie und die Bauwirtschaft bleiben in der Rezession verhaftet", erklärten die Kölner Ökonominnen und Ökonomen. Positive Impulse kämen nur vom Konsum. "Für einen echten Aufschwung reicht das nicht aus. Neben dem Konsum müssen die Investitionen endlich in die Gänge kommen", sagte IW-Konjunkturexperte Michael Grömling. "Hier haben sich mittlerweile gewaltige Lücken aufgebaut."
"Wenn sich nichts ändert, verschleudern wir unser Potenzial"
Die deutsche Wirtschaft war im vergangenen Jahr um 0,2 Prozent geschrumpft. Ende 2023 ging es sogar um 0,5 Prozent bergab, bis das BIP dann Anfang 2024 um 0,2 Prozent zulegte und Deutschland so knapp an einer Rezession vorbeischrammte. Viele Fachleute erwarten für das laufende Jahr nur eine schleppende Erholung, die Bundesregierung peilt 0,3 Prozent Wachstum an.
Mit Abebben der Inflation auf geschätzt rund zweieinviertel Prozent 2024 dürften die Verbraucherinnen und Verbraucher ihre Ausgaben laut IW um rund ein Prozent steigern. Leichte positive Impulse seien auch vom Staatskonsum zu erwarten. "Dagegen bremst die Investitionstätigkeit das Wachstumstempo auch in diesem Jahr empfindlich ab." Nötig sei ein angebotspolitischer Anschub, der die Standortbedingungen verbessere", betonte Grömling. "Wenn sich nichts ändert, verschleudern wir auch weiterhin unser Potenzial."
Hier sei die Wirtschaftspolitik der Ampel-Koalition gefordert. "Es ist durchaus plausibel, dass sich vieles zum Besseren wendet und damit eine schnellere und vor allem kräftigere Erholung auf globaler Ebene sowie in Deutschland eingeläutet wird", schreiben die IW-Experten. Jedoch hänge dies im Wesentlichen von den politischen Entwicklungen in vielen Ländern ab.
Nüchterne Lage am Bau und in der Immobilienwirtschaft
Der Außenhandel bleibt der Schätzung zufolge schwach und entfaltet kaum konjunkturelle Impulse. Exporte und Importe dürften demnach je um ein Prozent sinken. "Trotz der Rekordmarke von 46 Millionen Erwerbstätigen im Jahresdurchschnitt 2024 werden die Auswirkungen der konjunkturellen Schwäche am Arbeitsmarkt in Deutschland stärker sichtbar." Die Arbeitslosenquote dürfte sich im Jahresschnitt auf fast sechs Prozent erhöhen. Das Staatsdefizit beläuft sich laut IW auf 68 Milliarden Euro oder rund 1,5 Prozent der Wirtschaftsleistung.
Am Bau und in der Immobilienwirtschaft sieht die Lage dem IW zufolge nüchtern aus. Die Bauinvestitionen dürften auch 2024 sinken – und zwar um zwei Prozent. Die Branche leide weiter unter dem herausfordernden Marktumfeld und Unsicherheiten, die sich aus der Zinsentwicklung und der Inflation ergäben. "Zahlreiche Unternehmen in der Projektentwicklung stehen weiterhin vor einer schwierigen Situation, und viele von ihnen sind nach wie vor von Insolvenz bedroht." Angesichts dauerhaft niedriger Nachfrage und weiterer Stornierungen von Aufträgen werde sich diese kritische Lage voraussichtlich im Lauf von 2024 nicht verbessern.
- Nachrichtenagentur Reuters