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Kunstherz: Wenn das Leben am Kabel hängt


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Letzte Rettung für Herzkranke
Kunstherzen: Wenn das Leben am Kabel hängt


Aktualisiert am 13.07.2023Lesedauer: 5 Min.
Patient mit einem Kunstherzsystem: Ein akkubetriebenes Steuerelement, das in einer Tasche am Körper getragen wird, versorgt die im Herzbeutel implantierte Pumpe mit Strom. Die Verbindung läuft über einen Schlauch, der durch die Bauchdecke führt.Vergrößern des Bildes
Patient mit einem Kunstherzsystem: Ein akkubetriebenes Steuerelement, das in einer Tasche am Körper getragen wird, versorgt die im Herzbeutel implantierte Pumpe mit Strom. (Quelle: JFsPic/getty-images-bilder)

Wenn das Herz versagt und kein Ersatzorgan zu bekommen ist, ist ein Kunstherz oft die letzte Rettung. Nahezu 1000 schwer herzkranke Menschen in Deutschland werden pro Jahr damit versorgt.

Es kann Jahre dauern, bis ein passendes Spenderherz gefunden wird. Denn Spenderherzen sind äußerst rar. Daher werden sogenannte Kunstherzen, die ursprünglich als Überbrückung gedacht waren, zunehmend eine Dauerlösung. Im Gespräch mit t-online erklärt Professor Jan Gummert vom Herz- und Diabeteszentrum NRW in Bad Oeynhausen, was die mechanischen Pumpen leisten können und wo ihre medizinischen Grenzen liegen.

Was genau ist ein Kunstherz?

In den meisten Fällen sind sogenannte Kunstherzen kein vollständiger Herzersatz. Es handelt sich vielmehr um mechanisch betriebene Pumpsysteme, die parallel zum eigen, geschwächten Herzen das Blut im Kreislauf pumpen. Daher ist der englische Ausdruck "VAD" als Abkürzung für "ventricular assist devices" ("Herzkammerunterstützungssysteme") präziser als der Begriff "Kunstherz".

Je nachdem, ob das Kunstherz die rechte, die linke oder beide Herzkammern unterstützen soll, unterscheiden die Ärzte zwischen Rechtsherzunterstützungssystemen (RVAD), Linksherzunterstützungssystemen (LVAD) und biventrikulären Unterstützungssysteme (BiVAD). Bei den echten sogenannten "totale Kunstherzen" (total artificial heart) werden die beiden Herzkammern vollständig ersetzt.

In diesem Fall hängt das Leben des Patienten komplett von der Funktionstüchtigkeit des Geräts ab. "Wenn es ausfällt, kommt auch der gesamte Kreislauf sofort zum Erliegen", sagt Gummert, der neben seiner Tätigkeit als Herzchirurg auch im Vorstand der Deutschen Herzstiftung tätig ist.

Wann ist ein künstliches Herz erforderlich?

Bei hochgradiger Herzschwäche bleibt oft als letzte Option eine Herztransplantation. Wegen des Mangels an Spenderherzen setzen Chirurgen immer häufiger künstliche Herzen ein. Nahezu 1000 schwerkranke Menschen in Deutschland werden jedes Jahr mit Herzkammerunterstützungssystemen versorgt. Bei über 400 Herztransplantationen, die pro Jahr in Deutschland vorgenommen werden, ist der Bedarf an Spenderherzen heute vier bis fünf mal so hoch wie die Verfügbarkeit.

"Wenn Kraft der Herzkammern nicht mehr ausreicht und alle Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind, geht es für den Patienten um Leben und Tod, sagt Gummert. Dann seien Herzkammerunterstützungssysteme oder Kunstherzen sozusagen die letzte Chance. Die Gründe der Herzschwäche können mehrere Ursachen haben: "Bei etwa die Hälfte der Patienten liegt eine chronische Durchblutungsstörung des Herzens vor, bei der oft einer oder mehrere Infarkte vorangegangen sind", sagt Gummert. Bei der anderen Hälfte liege eine angeborene oder durch Entzündungen erworbene Herzmuskelschwäche vor.

"Allerdings können die Geräte das natürliche Herz nicht auf Dauer ersetzen, sagt Gummert. "Sie sind eine lebensrettende Maßnahme auf Zeit". So können der Patient Zeit gewinnen, bis ein Spenderherz für ihn zur Verfügung stünde. Doch auch für ältere Menschen, die kaum eine Chance auf eine Herztransplantation hätten, könne ein Kunstherz auch eine Dauerlösung im Sinne einer Lebensverlängerung sein.

Wie funktioniert ein Kunstherz-System?

Herzkammerunterstützungssysteme bestehen aus einer kleinen, mit einem Elektromotor angetriebenen Pumpe, die im Herzbeutel liegen und dort meistens an die linke Herzkammer angeschlossen werden. Ein Rohr aus Kunststoff leitet das Blut aus der Herzkammer ins Kunstherz, das seinerseits das Blut weiter in die Hauptschlagader pumpt. Das eigene Herz bleibt im Körper erhalten, es wird durch die künstliche Pumpe nur unterstützt.

Für die Stromversorgung führt ein Kabel aus dem Körper heraus und wird dort an ein Steuerungssystem angeschlossen. Tagsüber erfolgt die Stromversorgung meist über Akkus, die der Patient in einer Tasche am Körper trägt. Nachts wird das Kunstherz an die Steckdose angeschlossen oder der Patient wechselt die leeren Akkus gegen aufgeladene.

Was verbessert sich für den Patienten?

Egal ob als Übergangs- oder als Dauerlösung: Moderne mechanische Herzhilfen sind technisch inzwischen so ausgereift, dass sie die Lebenserwartung und Lebensqualität von Patienten auf der Warteliste für eine Herztransplantation deutlich erhöhen. Das künstliche Herz pumpt wieder mehr Blut durch den Körper, die Patienten sind körperlich wieder belastbarer.

"Die Patienten haben keine Luftnot mehr. Sie fühlen sich fitter, sind mobil und können wieder am Leben teilhaben", sagt Gummert. Reisen, Kino- und Restaurantbesuche und bestimmte kontaktfreie Sportarten seien möglich. Die derzeit verfügbaren Batterien halten inzwischen bis zu 18 Stunden. Doch es gibt einige wichtige Dinge zu beachten: "Der Patient muss darauf achten, dass die Batterien des Geräts vor Aktivitäten außerhalb der Wohnung aufgeladen sind und zwei vollständig aufgeladene Ersatzbatterien sowie eine Ersatz-Steuereinheit dabei sind", sagt Gummert.

Wie stark belastet ein Kunstherz die Psyche?

Das Leben mit einer künstlichen Herzpumpe ist mit großen Veränderungen verbunden, die der Patient auch erstmal verarbeiten muss. Wie die Mensch damit klar kommen, dass ihr Leben an einer Stromversorgung hängt, ist sehr unterschiedlich. "Einige kommen hervorragend damit zurecht, andere hoffen auf eine baldige Transplantation", sagt Gummert.

Der Herzchirurg weist darauf hin, dass psychologische Unterstützung nach der Operation sehr wichtig seien, um die Patienten bei der Bewältigung ihrer Ängste zu unterstützen und ihnen bei Rückkehr in den Alltag zu helfen. Ideal seien extra geschulte Therapeuten, die sich besonders mit mechanischen Herzhilfen auskennen.

Welche Nachteile hat ein künstliches Herz?

Der größte Nachteil der Herzkammerunterstützungssysteme liegt darin, dass sie kontinuierlich mit Strom versorgt werden müssen. Daher ist die implantierte Pumpe über eine Kabelverbindung mit einer außerhalb des Körpers befindlichen Systemsteuerung verbunden. Damit verbunden sind einige Komplikationen. Das Risiko, Infektionen zu bekommen steigt und damit verbunden auch die Gefahr, eine Blutvergiftung zu bekommen. Auch Blutgerinnsel können sich in der Pumpe bilden und Schlaganfälle herbeiführen. Bei circa zehn Prozent sei dies nach einem Jahr der Fall, sagt Gummert.

Zudem arbeiten die Herzhilfen nicht lautlos. Der Herzchirurg weist darauf hin, dass vor allem beim totalen Kunstherz der Kompressor laute Geräusche von sich gebe. Bei den VAD-Systemen dagegen sei nur ein "leises Surren" für den Patienten hörbar, das von der Umgebung aber nicht wahrgenommen werde.

Ausblick: Wie geht die Entwicklung weiter?

Dass Kunstherzen in naher Zukunft eine gleichwertige Alternative zu einem Spenderherz sein könnten, bezweifelt Gummert. "Aus meiner Sicht ist das eine Wunschvorstellung, von der wir derzeit noch weit entfernt sind", so der Herzchirurg. Ideal wäre, wenn Herzkammerunterstützungssysteme eines Tages kabellos funktionieren würden.

Ob und wann solche Systeme im klinischen Alltag zum Einsatz kämen, sei jedoch nicht voraussagbar, auch wenn es bereits erste klinische Versuche gegeben habe. Bis dahin bleibe das Kunstherz weiterhin "die zweitbeste Wahl", die Herztransplantation sei noch immer der Goldstandard.

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Ratgeber zu Herzschwäche und Kunstherz

Millionen Menschen in Deutschland sind von Herz-Kreislauf-Erkrankungen betroffen. Für Patienten mit einer Herzschwäche und Ihre Angehörigen bietet die Deutsche Herzstiftung den kostenlosen Ratgeber "Das schwache Herz“ an, der über Ursachen, Diagnose und Therapien der Herzschwäche und deren Vorbeugung. Der Ratgeber kann bei der Herzstiftung telefonisch oder per E-Mail kostenlos angefordert werden.

Weitere Infos zu den Herzwochen 2020 finden Sie unter www.herzstiftung.de/herzwochen2020. Informationen zum Thema Kunstherz stellt die Herzstiftung auf folgender Internetseite ebenfalls kostenfrei zur Verfügung: www.herzstiftung.de/infos-zu-herzerkrankungen/herzinsuffizienz/broschuere-kunstherz

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Deutsche Herzstiftung
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