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Olaf Scholz und Russlands Imperialismus: Die Uhr tickt


Russlands Imperialismus
Die Uhr tickt

MeinungEine Kolumne von Gerhard Spörl

Aktualisiert am 13.05.2024Lesedauer: 3 Min.
Meinung
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Olaf Scholz und Wladimir Putin: Der SPD-Politiker kritisiert während seiner USA-Reise das Interview.Vergrößern des Bildes
Olaf Scholz und Wladimir Putin (Fotocollage): Militärische Experten gehen davon aus, dass in fünf bis acht Jahren die nächsten russischen Angriffskriege zu erwarten sind. (Quelle: t-online/t-online)

Die kleinen Nato-Staaten richten sich illusionslos auf Russlands Revisionismus ein. Von ihrer Entschlossenheit und Konsequenz kann Olaf Scholz nur lernen. Aber macht er das auch?

Vor ein paar Tagen war der finnische Präsident Alexander Stubb zu Besuch in Berlin und wenn es gut geht, hat er Olaf Scholz seinen kühlen, wachen Realismus nahegebracht. Denn von den Finnen lässt sich Wirklichkeitssinn lernen. Sie waren entschlossen neutral, solange es sinnvoll war, und nun sind sie entschlossenes Mitglied der Nato. Die Welt hat sich gedreht und deshalb hat sich dieses kleine Land an einer langen Grenze mit Russland neu justiert.

Die Gründe nannte Stubb in einem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung". Erstens: Russland wird auch nach Putin von Hardlinern regiert werden. Zweitens: Russland wird weiterhin aufrüsten und die Kriegswirtschaft beibehalten. Drittens: Russland wird den Versuch fortsetzen, die Ukraine auszulöschen. Die Offensive gegen Charkiw ist der Beleg dafür.

Finnland ist auf den Ernstfall vorbereitet

Soweit ein kleines Land mit 5,5 Millionen Einwohnern auf den Ernstfall vorbereitet sein kann, hat sich Finnland vorbereitet. 900.000 Männer und Frauen unterzogen sich einer militärischen Ausbildung; 280.000 von ihnen lassen sich rasch einberufen. Die Arsenale mit Langstreckenraketen sind voll. Die Luftwaffe ist modern. Erstaunlicherweise hat Finnland neben Polen die größte Artillerie Europas.

Von den Finnen lernen, heißt, sich auf den Krieg einzustellen und somit potenzielle Gegner illusionslos so weit abzuschrecken, wie es möglich zu sein scheint. Dazu hat die Zeitenwende in Europa geführt. Und noch etwas lässt sich von den Finnen, aber auch von den Litauern, Esten und Letten lernen: nicht viel reden, lieber handeln.

Der einsame Boris Pistorius

In Deutschland wird viel geredet und weniger gehandelt. Am Verteidigungsminister liegt es nicht. Boris Pistorius redet, damit gehandelt wird. Er versucht aus der Zeitenwende die Konsequenzen zu ziehen. Damit ist er in der Regierung ziemlich einsam.

Die Einsamkeit liegt in der Partei begründet, der er angehört. Die SPD ist notorisch zerrissen, wenn Entscheidungen in der Außen- und Sicherheitspolitik getroffen werden müssen. Die Kluft wird noch tiefer ausfallen, sobald die Konsequenz nicht mehr zu leugnen ist: Der Aufbau einer kriegstüchtigen Bundeswehr kostet sehr viel Geld, das bislang in den Sozialstaat geflossen ist, den ebenfalls ein Sozialdemokrat verantwortet: Hubertus Heil.

(Quelle: privat-bilder)

Zur Person

Gerhard Spörl interessiert sich seit jeher für weltpolitische Ereignisse und Veränderungen, die natürlich auch Deutschlands Rolle im internationalen Gefüge berühren. Er arbeitete in leitenden Positionen in der "Zeit" und im "Spiegel", war zwischendurch Korrespondent in den USA und schreibt heute Bücher, am liebsten über historische Themen. Alle Artikel lesen Sie hier.

Der zweite Grund für die Einsamkeit des Boris Pistorius ist Olaf Scholz. Die Klarheit und Entschlossenheit, die der Kanzler vorige Woche an seinem finnischen Besucher und bei seinen Stippvisiten in Lettland und Litauen studieren konnte, geht ihm persönlich ab. Oder freundlicher gesagt: Sollte er lernfähig sein, so konnte er sich vorige Woche mit Wissen vollsaugen, das ihm zu denken geben sollte.

Die kleinen Nato-Staaten sind fest davon überzeugt, dass Russland unter Putin oder irgendwelchen Nachfolgern expansiv und revisionistisch bleiben wird. Wenn ein so großes Land auf Kriegswirtschaft umstellt, hat es auch nach der Ukraine einiges vor. Die Folge daraus ist, dass Länder wie Deutschland oder Frankreich alles in die Waagschale werfen müssen, um, erstens der Ukraine im Krieg mehr noch als bisher zu helfen, damit, zweitens, mehr Zeit zur Vorbereitung auf die nächsten Überfälle bleibt.

Eile ist geboten

Militärische Experten gehen davon aus, dass in fünf bis acht Jahren die nächsten russischen Angriffskriege zu erwarten sind. Bis dahin müsste also Deutschland kriegstüchtig und die Bundeswehr kriegstauglich sein. Daraus folgt, dass die Regierung schnellstens über die Wiederaufnahme der Wehrpflicht entscheiden sollte, egal ob nach schwedischem Vorbild oder nach altem deutschen Muster oder mit einem sozialen Jahr für junge Frauen wie Männer. Und natürlich muss die Finanzierung für mehr Soldaten und die Aufrüstung zu Land, See und in der Luft gesichert sein, sei es über eine Lockerung der Schuldenbremse oder über Umschichtung im Etat oder, was vermutlich nötig sein wird, über beides.

Nimmt man den Ernst der Lage so ernst, wie es die kleinen Länder vormachen, dann haftet unseren Diskussionen über die Schuldenbremse, das Bürgergeld, die Gender-Politik etc. etwas Unernstes an. Die Regierung ist im Übermaß mit sich selber beschäftigt, weil sie bessere Einsichten, siehe Zeitenwende, nicht angemessen beherzigt. Die Ausnahme bleibt Boris Pistorius und er findet damit Anerkennung, wie die Umfragen zeigen.

Gerade jährte sich das Ende des Zweiten Weltkrieges. Nie wieder Krieg sollte auch heißen, dass Deutschland fortan friedfertig bleiben würde. Nun ist die Welt unfriedlich und Deutschland sollte sich rasch darauf einstellen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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