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HomeGesundheitKolumne - Ulrike Scheuermann

Bleiben Sie gelassen – Ihrer Gesundheit zuliebe


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Zweites Weihnachten unter Corona
Bleiben Sie gelassen – der Gesundheit zuliebe

Eine Kolumne von Ulrike Scheuermann

Aktualisiert am 24.12.2021Lesedauer: 4 Min.
Weihnachtstreffen in der Pandemie: Viele starke Emotionen sind Reaktionen auf eine Situation, die nicht so ist, wie wir sie wollen.Vergrößern des Bildes
Weihnachtstreffen in der Pandemie: Viele starke Emotionen sind Reaktionen auf eine Situation, die nicht so ist, wie wir sie wollen. (Quelle: jacoblund/getty-images-bilder)

Bald 24 Monate Pandemie sind eine lange Zeit. Die Stimmung ist bei vielen im Keller. Welche Folgen haben negative Emotionen und die daraus resultierenden Konflikte? Und wie geht man mit schwierigen Emotionen kräfteschonend um?

Die einen haben Covid-Wut, andere sind "mütend", also müde und wütend, was ebenfalls eine Wortschöpfung der Pandemiezeit ist. Wieder andere reagieren mit depressiven Symptomen, resigniert oder verbittert.

Diese Emotionen entstehen zum Teil durch die weiterhin zukunftsunsichere, oftmals verwirrende und persönlich, gesellschaftlich und global äußerst herausfordernde Situation, bei der die Einzelnen wenig oder gar keine Einflussmöglichkeiten haben, jedenfalls nicht auf die äußere Situation.

Psychisch stark bleiben – die große Herausforderung

Ich sehe es als eine der großen Herausforderungen in dieser lang anhaltenden Pandemiesituation, psychisch bei Kräften zu bleiben. Das bedeutet insbesondere, einen guten Umgang mit schwierigen Emotionen zu finden.

Denn andauernde Wut und Empörung, Angst und Verzweiflung, Resignation und Verbitterung, Traurigkeit und Freudlosigkeit sind einfach anstrengend. Sie kosten viel Kraft, psychisch und körperlich. Wir brauchen diese Kraft zur Bewältigung des Alltags inklusive der Pflege unserer kostbaren sozialen Beziehungen.

Gesellschaftliche Long-Covid-Folgen

Durch starke Emotionen, vor allem durch Wut, entstehen jedoch Gräben im sozialen Umfeld, die wir seit der Impfdebatte immer deutlicher merken. Viele sagen inzwischen: "Ich habe aufgehört zu diskutieren" oder "Ich vermeide den Kontakt". Verwandte reden nicht mehr miteinander, Schuldzuweisungen beeinträchtigen die Beziehungen dauerhaft, langjährige Freundschaften gehen in die Brüche. Nicht jedes Zerwürfnis wird sich später wieder kitten lassen. Das sind die gesellschaftlichen Long-Covid-Folgen.

Die negativen Auswirkungen auf das soziale Miteinander lassen sich durch nachvollziehbare politische Entscheidungen auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse abfedern. Wenn jemand aufgrund geltender Regeln ungeimpft nicht mehr bei einer Feier teilnehmen darf, ist die Situation geklärt und man erspart sich Streit auf der Ebene des persönlichen Kontakts. Soziale Beziehungen werden geschont.

Chronischer Stress schwächt die Immunabwehr

Doch jeder Einzelne kann auch etwas dafür tun, um einen sozial verträglichen Umgang mit seiner Wut zu finden. Wenn Menschen mit Wut im Bauch auf Menschen treffen, die anderer Meinung sind, so sind Auseinandersetzungen programmiert. Niemand streitet oder entzweit sich ohne starke Emotionen.

Jeder Konflikt zwischen Menschen ist also mit Stress verbunden. Langfristiger, also chronischer Stress, ist laut Weltgesundheitsorganisation eine der größten Gesundheitsgefahren des 21. Jahrhunderts. Dauerstress schwächt die intakte Immunabwehr, viele Krankheiten resultieren daraus. Wir brauchen jedoch eine starke Immunabwehr – nicht nur, aber auch gegen das Virus.

Wir können starke negative Emotionen mildern, wenn wir erst einmal erkennen, wie sie entstehen.

Emotionen als Reaktion auf eine Realität, die anders ist als gewünscht

Viele starke Emotionen sind Reaktionen auf eine Situation, die nicht so ist, wie wir sie wollen, wünschen und erwarten. Schauen wir uns das am Beispiel Quarantäne an, denn damit haben inzwischen viele Menschen Erfahrungen. Jemand erkrankt an SARS-CoV-2. Das Gesundheitsamt ruft an oder schreibt, man muss isoliert daheim bleiben, sonst drohen hohe Geldstrafen. Das schränkt die persönliche Freiheit ein.

Nun kann man deshalb wütend werden. Wahlweise auf das Virus, die Regierung, Ungeimpfte oder das Schicksal. Man kann sich aber auch umstellen und sich von der Vorstellung verabschieden, dass man jederzeit seine volle Bewegungsfreiheit haben sollte.

Damit schließt man die Lücke zwischen unrealistischen Vorstellungen und der Wirklichkeit. Man passt sich an die Realität an, indem man sie akzeptiert. Die Wut flaut ab. Es ist, wie es ist. Nun kann man neue Ideen entwickeln, wie man mit der Situation umgeht.

Anpassung an die Realität – diese Fragen helfen

  • Welche Vorstellung habe ich von der aktuellen oder zukünftigen Situation? – Beispiel Weihnachten: "Ich möchte Weihnachten friedlich und harmonisch wie immer verbringen."
  • Ist diese Vorstellung realistisch? Oder handelt es sich um eine unrealistische und verklärte Wunschvorstellung? – "Nun, mein Bruder lässt sich aus Prinzip nicht impfen und wir streiten uns seit Monaten deswegen, das wird wohl an Weihnachten genauso sein."
  • Wie kann ich diese Erwartungshaltung verabschieden, wenn ich merke, dass sie unrealistisch ist? – "Beim Nachdenken komme ich auf die Idee, Weihnachten mal ganz ohne Familie zu feiern."
  • Welche attraktiven Alternativen tauchen jetzt auf? – "Ich mache dieses Jahr mal ein Dinner for two, nur mit meiner Frau."
  • Wie verändern sich durch das Akzeptieren der Realität meine Emotionen? – "Ich bin entspannter und freue mich auf das ungewöhnliche Weihnachtsdinner und ich schlafe besser, weil ich nachts nicht mehr an meinen Bruder denken muss."

Die Realität zu akzeptieren, bedeutet nicht, zu resignieren

Es geht mir jedoch nicht darum, durch Anpassung an die Realität resignativ und passiv alles hinzunehmen. Professor Hartmut Rosa, renommierter Soziologe und Politikwissenschaftler von der Friedrich-Schiller-Universität Jena, sieht in der Achtsamkeitsbewegung die Gefahr, dass Menschen sich nicht mehr politisch oder in anderer Weise engagieren, weil es nur noch darum gehe, auf den Moment zu fokussieren. Ja, das ist eine Gefahr. Doch das Akzeptieren der Realität ist etwas anderes und kann sich anders auswirken. Man kann auch ohne Wut engagiert bleiben.

Nach meiner Erfahrung als Psychologin verpulvern Menschen, die ihre Wut und Empörung kultivieren, ihre Energie oft mit sinnlosen Aktionen. Ein Streit mit einem Nachbarn beschäftigt einen vielleicht tagelang. Aber bewirkt man mit diesem Streit irgendetwas?

Wütende Menschen haben oft irgendwann keine Kraft mehr und brennen aus oder sie regen sich weiter über jede Kleinigkeit auf, werden zynisch oder verbittert. Entgegen der landläufigen Meinung braucht man Wut nicht, um aktiv zu werden, seine Meinung zu äußern, sich zu engagieren.

Wenn wir psychisch bei Kräften bleiben, können wir besonnen entscheiden, ob wir etwas tun wollen und wenn ja, was. Wir haben genug Kraft, um das Richtige richtig zu tun.

Ulrike Scheuermann ist Diplom-Psychologin und Bestsellerautorin. Seit 25 Jahren hilft sie Menschen dabei, ihr Leben mit modernsten Methoden der Psychologie innerlich frei und ohne Blockaden besser und gesünder zu gestalten. Ihre Self-Care- und Coaching-Programme finden in ihrer Akademie in Berlin und online statt.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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