Die subjektive Sicht zweier Autoren auf ein Thema. Niemand muss diese Meinungen übernehmen, aber sie können zum Nachdenken anregen.
Verbaut sich Nagelsmann die Zukunft? Das werden sie ihm niemals verzeihen
Der Bundestrainer geht bei seinen Nominierungen nach Leistung, nicht nach Namen. Verbaut er sich damit die Zukunft?
Derzeit versucht Julian Nagelsmann alles, um die deutsche Nationalmannschaft kurz vor der Europameisterschaft wieder auf Erfolgskurs zu bringen. Für die Testspiele in Frankreich am kommenden Samstag (21 Uhr) und am darauffolgenden Dienstag (26. März, 20.45 Uhr) gegen die Niederlande nominierte er diverse Neulinge, während er langjährige Nationalspieler ignorierte – in dem Glauben und mit der Hoffnung, beim Turnier weit zu kommen.
Aber was passiert eigentlich nach der EM? Der Vertrag von Nagelsmann läuft dann aus und der Bundestrainer sagte bereits: "Es ist ratsam, sich um seine berufliche Zukunft zu kümmern. Gerade dann, wenn man einen auslaufenden Vertrag hat." Und weiter: "Wenn ich vor der EM ein Angebot vorliegen habe, mit dem ich mich gut fühle, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass ich das auch unterschreibe. Aktuell habe ich kein Papier vorliegen."
In den vergangenen Wochen wurde der Bundestrainer immer wieder auch mit zwei Bundesligisten in Verbindung gebracht: Borussia Dortmund und Bayern München. Der BVB sucht angeblich im Hintergrund einen möglichen Nachfolger für den umstrittenen Edin Terzić. Der FC Bayern braucht einen Plan B, sollte sich Wunschkandidat Xabi Alonso gegen einen Wechsel von Leverkusen nach München entscheiden.
Ausgerechnet bei diesen beiden Vereinen hielt sich indes die Freude über die Nominierungen für die Länderspiele in Grenzen – und wird sich kaum bessern, sollte Nagelsmann bei seinem Kurs für die EM bleiben.
Dann würde nämlich für die Dortmunder Mats Hummels, Emre Can, Julian Brandt, Niklas Süle, Nico Schlotterbeck, Karim Adeyemi und Youssoufa Moukoko der Traum von der EM im eigenen Land platzen. Und genauso für Leon Goretzka und Serge Gnabry von Bayern. Zumal Nagelsmann Joshua Kimmich bereits verärgerte, indem er ihn von dessen Lieblingsposition im defensiven Mittelfeld auf die Rechtsverteidiger-Position schob. Das führt zu der Frage:
Verbaut sich Julian Nagelsmann mit seinen Nominierungen ein Engagement bei Bayern oder Dortmund?
Ja, die Spieler werden Nagelsmann das nie verzeihen
Eines vorweg: Natürlich wäre es fatal, wenn Julian Nagelsmann seine Entscheidungen davon abhängig machen würde, wo er möglicherweise künftig arbeiten könnte.
Genauso klar ist allerdings: Eine Rückkehr von Nagelsmann zu Bayern ist jetzt genauso ausgeschlossen für diesen Sommer wie ein Wechsel zum BVB – zumindest wenn die Klubs nicht radikal ihre Kader umbauen und sich der Anteil ausgebooteter Nationalspieler signifikant reduziert.
Eine Weltmeisterschaft oder Europameisterschaft im eigenen Land zu spielen, das ist das Größte, was ein Fußballer erreichen kann. Abgesehen von den Titelgewinnen bei diesen Turnieren. Wer diese Teilnahme als Ziel hat und enttäuscht wird, steckt das nicht einfach so weg. Erst recht, wenn er über Jahre immer dabei war. Und umso mehr, wenn er die Entscheidung des Bundestrainers für falsch hält. Kurzum: Ob Süle, Hummels oder Goretzka – diese Spieler werden es Nagelsmann niemals verzeihen, wenn seinetwegen ihr großer Traum platzt.
Und die sollen dann in der kommenden Saison im Verein für den Trainer durchs Feuer gehen? Als Führungsspieler die Interessen von Nagelsmann vertreten? Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen anderen Spielern und dem Coach vermitteln? Unmöglich. Ausgeschlossen. Das wird nicht passieren, wenn die Wunden noch so frisch sind.
Nein, denn er tut das, was ein Trainer tun muss
Julian Nagelsmann ist Fußballtrainer. Und da muss man oft auch unangenehme Entscheidungen treffen. Darunter fallen die Nichtnominierungen der BVB-Profis und von Bayerns Leon Goretzka. Aber damit verbaut er sich keinesfalls den Weg nach Dortmund oder München. Ganz im Gegenteil. Er beweist gerade, dass er Format hat. Er macht das, was man als Toptrainer machen muss: Leistungen bewerten, auch mal harte Entscheidungen treffen und diese dann gut und ausführlich erklären.
Nagelsmann zeigt mit seiner Auswahl für die kommenden Testspiele, dass er bereit ist, langfristig zu planen und frisches Blut in seine Mannschaften zu bringen. Das ist kein Zeichen der Schwäche, sondern der eigenen Stärke. Das muss den Vereinsbossen bei Bayern München und Borussia Dortmund imponieren und durchaus auch als Zeichen seiner Fähigkeit gesehen werden, langfristige Strategien zu entwickeln und konsequent umzusetzen.
Wenn hochdekorierte Spieler wie Hummels oder Goretzka mit dem Mut eines Trainers nicht klarkommen, dann ist nicht der Coach falsch im Verein, sondern sie selbst sind es. Und dann müssen sie gehen.
Nagelsmann ordnet dem Erfolg alles unter, und das ist richtig. Am Ende geht es nicht um die Befindlichkeiten einzelner Bundesliga-Stars, sondern um die Zukunft des Klubs – egal ob dieser nun Borussia Dortmund oder Bayern München heißt.
Teilen Sie Ihre Meinung mit
Welche Meinung zum Thema haben Sie? Schreiben Sie eine E-Mail an Lesermeinung@stroeer.de
- Im „Zweikampf der Woche“ kommentieren wir wöchentlich ein aktuelles Fußballthema. Sehen Sie den Schlagabtausch regelmäßig auch im Video – am Montag und manchmal auch Dienstag ab 19.30 Uhr im Rahmen der „Sport1 News“ bei Sport1 oder ab Montagnachmittag hier oben im Artikel.
- Im "Zweikampf der Woche" kommentieren Florian Wichert und Robert Hiersemann wöchentlich ein aktuelles Fußballthema. Sehen Sie den Schlagabtausch auch im Video – am Montag ab 19.30 Uhr im Rahmen der "Sport 1 News" bei Sport 1 oder ab Montagnachmittag hier oben im Artikel.