Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Finalturnier in Lissabon Gegen Barcelona: Der FC Bayern hat einen Vorteil
Die Endrunde des Wettbewerbs wurde aufgrund der Corona-Pandemie nach Portugal verlegt – und nun kämpft der deutsche Rekordmeister um den Einzug ins Halbfinale. Mit Erfolg?
Ich glaube, mir geht es so wie den meisten Fußballfans: Zwar habe ich den Re-Start der Bundesliga Mitte Mai begrüßt, weil ich endlich wieder etwas hatte, um mich von den Corona-Schreckensmeldungen abzulenken. Doch so richtig überzeugt haben mich die Spiele nicht: Ohne die Fans fehlte die Stimmung in den Stadien und mit dem überragenden FC Bayern auch die Spannung im Meisterkampf. Und mir kam es so vor, als wenn viele Spieler nicht mit voller Leidenschaft auf dem Platz standen. Häufig wurde der Ball einfach nur hin- und hergeschoben. Kein Herz, kein Ehrgeiz. Das hat mich enttäuscht. Deshalb freue ich mich nun umso mehr auf die finalen Partien der Champions League.
Denn jeder Spieler wird heiß darauf sein, den Titel zu gewinnen – und damit werden wir endlich wieder Vollgasfußball auf dem Platz erleben.
"Das ist genau das, was wir brauchen – auch zukünftig"
Der diesjährige, angepasste Champions-League-Modus macht den Wettbewerb noch einmal spannender. Die Königsklasse verpackt in eine Mini-WM. Das ist genau das, was wir brauchen – auch zukünftig. Warum ich das so sehe, versuche ich Ihnen anhand eines Beispiels zu veranschaulichen:
Die altbewährte Gruppenphase der Champions League ist für mich wie ein Stück Kuchen – lecker. Doch erst wenn ich Schlagsahne drüberschmiere, schmeckt mir der Kuchen überragend. Die neue Mini-WM ist wie eine gut geschlagene, frische Sahne. Der alte Modus mit Hin- und Rückspiel wirkt dagegen fast ein bisschen angeschimmelt.
"Die Mini-WM würde die eingestaubte Endrunde wiederbeleben"
Ich würde für die nächsten Jahre nur eine Änderung am diesjährigen Modell vornehmen:
Die Viertelfinalpartien müssen wieder im altbewährten Modus ausgetragen werden. Denn bis dorthin schaffen es immer wieder auch Überraschungsteams – wie in dieser Saison Atalanta Bergamo. Solchen Klubs das Recht auf ein Champions-League-Viertelfinale in ihrer Stadt – dem vielleicht größten Spiel der Vereinsgeschichte – zu verwehren, wäre falsch.
Doch ab dem Halbfinale sollten wir auch in Zukunft die Mini-WM spielen. Überlegen Sie doch nur einmal: Ein K.o.-Turnier im Sommer, abwechselnd in den schönsten Städten Europas. Damit würde man die eingestaubte Endrunde endlich wiederbeleben. Zusätzlich sollte man ein Spiel um den dritten Platz einführen. Zum einen wäre dies aus wirtschaftlicher Sicht sinnvoll, zum anderen würden die Verlierer der Halbfinals nicht nur für eine Partie anreisen müssen."
Bayern hat gegenüber Barcelona einen Vorteil
Doch erst einmal freue ich mich nun auf das Spiel heute Abend. Der FC Bayern fordert in Lissabon den FC Barcelona heraus. Für mich normalerweise eine 50:50-Partie, doch die Münchener haben wegen des speziellen Modus einen Vorteil: und zwar in Form von Hansi Flick.
Denn anders als Barcelonas Trainer Quique Setien kennt er die Turnier-Situation als ehemaliger Co-Trainer der deutschen Nationalmannschaft ganz genau. Und diese Erfahrung ist goldwert.
Über eine längere Zeit mit seiner kompletten Mannschaft im Ausland auf einer Hotelanlage zu leben und sich ständig im Flur, beim Frühstück, am Pool oder der Lobby über den Weg zu laufen, ist auch für reiseerprobte Fußballprofis nicht alltäglich. Vor allem, wenn man dann auch noch zwischendurch die wichtigsten Partien der Saison bestreiten soll. Wenn man in diesen Tagen als Trainer Fehler macht, hat man ein Problem. Und glauben Sie mir: Fußballer können sich schnell gegenseitig auf die Nerven gehen.
Doch die Gefahr besteht beim FC Bayern dank Flick nicht. Im Gegenteil: Er wird seine Erfahrung nutzen, um zu versuchen, einen ganz besonderen Teamspirit zu erzeugen. Einen Spirit, der bei solchen Turnieren den Ausschlag für den ganz großen Erfolg geben kann. So, wie es Flick schon bei der WM 2014 in Brasilien an der Seite von Joachim Löw gelang.