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Eskalation in Nahost: Großer Krieg ist nur eine Fehleinschätzung entfernt


Meinung
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Eskalation in Nahost
Das Schlafwandeln in den großen Krieg

MeinungEine Kolumne von Gerhard Spörl

Aktualisiert am 15.04.2024Lesedauer: 3 Min.
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Israelischer F15-Jet: Wie wird das Land auf den iranischen Gegenschlag reagieren? (Quelle: IDF/imago-images-bilder)

Wie reagiert Israel auf den Angriff des Iran? Gibt es sich damit zufrieden, dass Drohnen und Raketen nicht am Ziel ankamen, oder glaubt Netanjahu, dass jetzt die Chance besteht, die Atomanlagen zu zerstören?

Nun bemühen sich alle um Mäßigung, um Beruhigung der Gemüter, die Außenminister und Regierungschefs, die EU und die Vereinten Nationen. Es ist ja nicht so schlimm gekommen wie befürchtet. Die meisten der iranischen Raketen und Drohnen haben sie noch im Anflug in einer konzertierten Aktion mit Israel abgefangen – die USA, England, Frankreich und Jordanien. Die technische Überlegenheit der Abwehrsysteme bewährte sich in dieser kritischen Nacht zum Sonntag.

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In der langen, blutigen, unberechenbaren Geschichte des Nahen Ostens ist eine Zäsur eingetreten. Der Schattenkrieg, der sich seit vielen Jahren im Libanon, Irak oder Syrien abspielte, ging in einen offenen Krieg über, bei dem der Iran erstmals Ziele auf israelischem Territorium direkt ansteuerte. Die Zäsur sollte in unserem Gedächtnis bleiben, auch wenn der Iran das Abfeuern der Drohnen, Mittelstreckenraketen und ballistischen Raketen so frühzeitig bekannt gab, dass die Abwehrsysteme bereitstanden.

Natürlich gibt es im Iran, in den USA wie auch in Israel genügend Kräfte, die das Verhalten Teherans als Schwäche deuten und nun aufs Ganze gehen wollen. Die Vasallen Donald Trumps verlangen nach einem machtvollen militärischen Vergeltungsschlag. Sie werfen Joe Biden vor, dass er Israel mit seiner Kritik am Gaza-Krieg schwäche und gegen den Iran Appeasement betreibe. Sie wollen am liebsten ganz schnell die Nuklearfabriken im Iran angreifen und auslöschen. Ihnen liegt daran, das Mullah-Regime zu stürzen.

(Quelle: Privat)

Zur Person

Gerhard Spörl interessiert sich seit jeher für weltpolitische Ereignisse und Veränderungen, die natürlich auch Deutschlands Rolle im internationalen Gefüge berühren. Er arbeitete in leitenden Positionen in der "Zeit" und im "Spiegel", war zwischendurch Korrespondent in den USA und schreibt heute Bücher, am liebsten über historische Themen.

Über die inneren Machtverhältnisse im Iran wissen wir wenig, so ist das nun einmal in Diktaturen. Offensichtlich ist nur, dass die militärische Machtdemonstration mit Vorsicht gepaart war. Gestern feierte die Propaganda den Angriff "auf den kleinen Satan" und erklärte zugleich die Aktion für beendet.

Zwei Fraktionen im Iran?

Da ist der Rückschluss erlaubt, dass es auch im Regime der Mullahs zwei Fraktionen gibt, wobei die eine Fraktion eben Ambivalenz bevorzugt, während die andere Fraktion kompromisslos Angriffe auf Tel Aviv mit vielen toten Zivilisten vorgezogen hätte. Der Krieg ist immer nur eine Fehleinschätzung weit entfernt.

Gestern tagte das israelische Kriegskabinett ziemlich lange über die Zäsur und die Folgen. Natürlich gibt es auch hier die Falken, die jetzt tun wollen, was sie lange schon tun wollen – den Schlag zum Beispiel auf die kerntechnische Anlage in Natanz, in der Uran angereichert wird. Damit hat Benjamin Netanjahu Jahr um Jahr gedroht. Aus seiner Sicht könnte die Chance jetzt gekommen sein, weil es um Irans konventionelle Streitmacht nicht besonders gut bestellt zu sein scheint, wie die Leichtigkeit der Abwehr am Sonntag suggeriert.

Große Kriege entstanden schon oft aus kleinen Kriegen. Dem Gaza-Krieg wohnte von Anfang an diese Eskalation inne. Eigentlich will ihn keiner, diesen großen Krieg, weil die Konsequenzen unabsehbar wären, aber jeder verfolgt seine Interessen unbeirrt. Und deshalb ist das Schlafwandeln in den großen Krieg jederzeit möglich.

Eine neue Konstellation

Der Iran umstellt Israel seit Langem mit Gefolgsmilizen im Libanon, im Gaza und im Jemen. Sie bekommen Waffen, Ausbildung, Berater aus den Revolutionären Garden und erledigten für die Mullahs die Arbeit. Gemeinsam träumen sie davon, Israel ins Meer zu treiben.

Israel bekennt sich prinzipiell nicht zu Angriffen im Iran, im Irak oder in Syrien, schon wahr. Aber iranische Nuklearwissenschaftler starben auf offener Straße in Teheran. An Nuklearstätten und militärischen Stützpunkten fanden Explosionen statt. 18 iranische Kommandeure der elitären Quds-Einheit und der Revolutionsgarden wurden im In- wie Ausland ermordet. Zuletzt starben zwei Generäle und vier Offiziere in einem Gebäude der iranischen Botschaft in Damaskus. Dieser Drohnenangriff am 1. April löste die Zäsur von Sonntagnacht aus, so begründete das Mullah-Regime die "Rache für die Märtyrer".

Was bleibt, ist eine neue Konstellation in dieser Region, die sich länger schon abzeichnete. Jordanien und Ägypten schlossen noch am Samstagabend vorsorglich ihren Luftraum. Jordanien schoss sogar iranische Projektile ab.

Wie reagiert Israel?

Auch Saudi-Arabien und Katar, die den großen Krieg unter allen Umständen verhindern wollen, rufen jetzt zur Mäßigung auf. Aus ihrer Perspektive mag Israel ein Ärgernis sein, aber es ist nun einmal da und als Atommacht auch nicht ins Meer zu treiben. Nein, der entscheidende Unruhefaktor mit dem Anspruch auf Hegemonie im Nahen Osten ist der Iran. Den sunnitischen Arabern liegt eindeutig an der Reduktion der Einflusssphäre der Schiiten im Iran.

Dazu trug Israel in der Nacht zum Sonntag bei. Auch deshalb bleibt für die gesamte Region entscheidend, ob sich die Regierung Netanjahu mit dem Triumph zufriedengibt oder im Glauben wiegt, dass jetzt im umfassenden Angriff eine historische Chance liegt, den Iran bleibend zu schwächen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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