Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Milliarden-Boom bei Zertifikaten Warum Einsteiger jetzt zugreifen sollten
Mehr als zwei Billionen Euro bunkerten die Deutschen jahrelang auf Girokonten. Fleißige Verkäufer haben dem Spiel ein Ende bereitet.
Wer hauptberuflich mit Geldanlage und Vermögensbildung zu tun hat, dem sollten Begriffe wie ETF, Zertifikate oder Robo-Advisor geläufig sein. Möglicherweise können Sie in Ihrem persönlichen Umfeld mittlerweile vor allem bei jüngeren Menschen durchaus über diese Themen diskutieren und Freunde aus völlig anderen Berufsfeldern sind inzwischen zu echten Geldanlage- und Tradingexperten geworden.
Wenn ich alle paar Wochen in meine Heimat in den Landkreis Mayen-Koblenz fahre, um dort die schöne Mosel und Eifel auf dem Rennrad zu genießen, bespricht man hier auch Themen wie Inflation oder eben Geldanlage. Dass alles teurer wird, ist "auf dem Land" ebenso wie in der Stadt ein Topthema. Und in der Tat ist gemessen an der Inflation in den vergangenen Jahren vieles teurer geworden.
Trendwende bei Erstanlegern
In früheren Zeiten verlief die Inflation gefühlt geordneter, sie lag bei einem Prozent oder etwas mehr und es störte nicht weiter. Das Geld parkte bei der Sparkasse Mayen-Koblenz oder der Volksbank RheinAhrEifel, wie sie mittlerweile heißt. In den letzten beiden Jahren hat sich aber etwas bewegt. Menschen, die nie zuvor mit Finanzprodukten zu tun hatten, haben investiert.
Zum Ende des Jahres 2023 flossen in Deutschland nach Statistiken des Bundesverbandes strukturierter Wertpapiere 112 Milliarden Euro in Zertifikate. Knapp die Hälfte dieser Summe wurde 2023 neu angelegt. Die Papiere tragen oftmals den Zusatz Zinsanleihe oder Ähnliches im Namen.
Das tut der Grundidee aber keinen Abbruch – viele Kunden von Sparkassen und Volksbanken haben zum ersten Mal Geld angelegt oder gute Erfahrungen mit dem Vorgängerprodukt gemacht, zum Beispiel mit einem Zinsprodukt, das vorzeitig fällig wurde.
Zur Person
Daniel Saurenz ist Finanzjournalist, Börsianer aus Leidenschaft und Gründer von Feingold Research. Mit seinem Team hat er insgesamt mehr als 150 Jahre Börsenerfahrung und bündelt Börsenpsychologie, technische Analyse, Produkt- und Marktexpertise. Bei t-online schreibt er über Investments und die Lage an den Märkten, immer unter dem Fokus des Chance-Risiko-Verhältnisses für Anleger. Sie erreichen ihn auf seinem Portal www.feingoldresearch.de.
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Wie Einsteiger beginnen sollten
Nun haben wir an dieser Stelle sehr häufig Sparkassen und Volksbanken kritisiert. Ihre Girokonten werfen im Vergleich zu überregionalen Banken und Neo-Brokern lächerliche bis keine Zinsen ab. Ihre Gebühren sind bekanntlich hoch und in Zeiten negativer Zinsen wurden zusätzliche Kosten erfunden. Im Falle des Zertifikatebooms sollte man jedoch die positive Seite der Medaille sehen.
Denn die meisten Kunden der Sparkassen stehen nicht im Verdacht, eine Auswahl zwischen ETF-Sparplan, Bundesanleihe, Robo-Advisor oder Aktien zu treffen. Sie werden sich auch keine Gedanken machen, ob Nvidia, Tesla oder Infineon der beste Basiswert für ein Discountzertifikat ist und welche Rolle die Volatilität spielt.
Es geht um die niedrigste Schwelle des Einstiegs, nämlich ein kapitalgarantiertes Produkt mit einer ordentlichen Verzinsung zu finden. Was ordentlich ist, darüber kann man streiten und unbestritten würden selbst entscheidende Anleger auf dem sogenannten Sekundärmarkt noch bessere Produkte finden als in der Filiale in Andernach oder Koblenz.
Jetzt nehmen Sparer die Rendite mit
Diese Frage stellt sich für meine Verwandten und Bekannten aber nicht und so erleben es sicher deutschlandweit viele, die sich erstmals mit Finanzprodukten tiefer auseinandersetzen. Der erste Schritt verläuft vom nahezu unverzinsten Girokonto zu einem Zertifikat, das jährlich drei oder dreieinhalb Prozent Rendite abwirft.
Für Sparkassen und Volksbanken und deren Verkäufer ist die Sache lohnenswert, sie verdienen sehr gut daran. Aber auch die Kundin oder der Kunde machen eine gute Erfahrung. Wer beispielsweise 25.000 Euro in ein zu drei Prozent verzinstes Papier investiert, nimmt jährlich 750 Euro mit. Genau jene 750 Euro hätten vor Jahren viele Anleger noch liegen lassen.
Die Schwelle entscheidet
25.000 Euro würde ich persönlich anders investieren als beispielsweise in eine Festzinsanleihe, also in eine Anleihe, die einen festen Zins abwirft und das Kapital nach Fälligkeit vollständig zurückgezahlt wird.
Bonus- oder Expresszertifikate werfen bei überschaubarem Risiko und sehr hohen Puffern gerne sieben oder acht Prozent ab. ETFs wie der Lyxor LYX0B6 bringen interessante Renditen und bei der Consorsbank wären als Neukunde 3,75 Prozent auf das Tagesgeld drin.
Von meinen Bekannten und Verwandten käme jedoch niemand auf die Idee, nach Produkten wie ETFs oder Anbietern von solchen zu suchen und sie würden sie auch nicht finden. Genau deshalb ist der große Absatz an Zinsprodukten im Filialgeschäft eine wirklich gute Nachricht. Eben viel besser als nichts.
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