Längst kein Geheimtipp mehr Was bei Ischias statt Bettruhe angesagt ist
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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Wer Ischiasschmerzen hat, bewegt sich oft weniger. Dabei ist es laut einstigem Geheimtipp bei Ischias besser, möglichst aktiv zu bleiben. Was genau hilft?
Ischiasschmerzen – kurz Ischias und fachsprachlich Ischialgie genannt – sind meist heftige Schmerzen, die vom unteren Rücken ins Bein ausstrahlen. Begleitend können Empfindungsstörungen wie Kribbeln zu spüren sein. Ursache ist häufig ein Bandscheibenvorfall im Bereich der Lendenwirbel, bei dem die hervortretende Bandscheibe auf den Ischiasnerv drückt. Bandscheibenvorfälle wiederum entstehen oft durch altersbedingten Verschleiß.
Liegt bei Ischias keine schwerwiegendere Nervenschädigung vor, bessern sich die Beschwerden meist innerhalb einiger Tage bis Wochen von selbst – auch wenn ein Bandscheibenvorfall dahintersteckt. Bis es so weit ist, können verschiedene Eigenmaßnahmen Linderung verschaffen. Eine wichtige Rolle spielt dabei körperliche Aktivität.
Wichtiger Hinweis
Wer bei Ischias zunehmende Lähmungserscheinungen oder Störungen der Blasen- oder Darmfunktion entwickelt, braucht hingegen schnell ärztliche Hilfe. Denn solche Symptome weisen auf einen ernsten Schaden am Ischiasnerv hin, der eine sofortige Operation erfordert.
Aktiv bleiben – auch wenn es schwerfällt
Früher war es üblich, bei Ischiasschmerzen ein bis zwei Wochen Bettruhe zu verordnen. Die heutige Empfehlung, stattdessen möglichst aktiv zu bleiben, mag daher für manche Betroffene wie ein Geheimtipp klingen – zumal es bei Ischias vorübergehend oft deutliche Erleichterung bringt, sich hinzulegen.
Doch nach heutigem Kenntnisstand ist körperliche Schonung bei Ischias eher schädlich: Längeres Liegen schwächt die Muskeln, was die Probleme letztendlich verstärkt. Bettruhe ist nur ausnahmsweise bei besonders starken Ischiasschmerzen und nur für kurze Zeit (etwa für ein bis zwei Tage) sinnvoll. Spätestens dann gilt es, in Bewegung zu kommen und bald wieder ein normales körperliches Aktivitätslevel zu erreichen.
Gut zu wissen
Auch wenn Bewegung bei Ischias mit Schmerzen verbunden ist, schadet sie nicht. Im Gegenteil: Körperliche Aktivität kann sogar wesentlich zur Genesung beitragen.
Tipps zum Aktivsein bei Ischias
Wer akute Ischiasbeschwerden hat, sollte die üblichen Alltagsaktivitäten fortführen oder zumindest so schnell es geht wieder aufnehmen. Daneben empfiehlt es sich, regelmäßige Spaziergänge in den Alltag einzubauen: Durch längeres Gehen bessern sich die Beschwerden meist. Schwimmen oder andere leichte Bewegungsarten können bei Ischias ebenfalls helfen. Zu große Anstrengung ist aber zu vermeiden.
Sich zwischendurch hinzulegen, um Ischiasschmerzen kurzfristig erträglicher zu machen, ist völlig in Ordnung – solange es nur vorübergehend ist. Auch langes Sitzen und Stehen sind bei Ischias zu vermeiden. Wenn sich das eine oder andere nicht umgehen lässt, sollten Betroffene ihre Position dabei unbedingt regelmäßig verändern, um den Rücken zu entlasten.
Ein weiterer wichtiger Tipp bei Ischias lautet: Immer auf eine gesunde und aufrechte Körperhaltung achten, um die Belastung des Rückens möglichst gering zu halten. Denn egal, ob im Stehen, Sitzen oder Liegen – wer den Rücken länger krumm hält, muss damit rechnen, dass die Schmerzen schon bald zunehmen.
Hingegen wirkt es bei Ischias oft schmerzlindernd, den unteren Rücken und die hinteren Oberschenkelmuskeln in aufgewärmtem Zustand sanft zu dehnen. Ein Beispiel für eine geeignete Dehnungsübung ist das Heranziehen des Knies zur Brust. Dazu
- flach auf den Rücken legen,
- ein Bein angewinkelt anheben und
- das Knie mit beiden Händen an die Brust ziehen.
- Das andere Bein bleibt dabei ausgestreckt am Boden.
- Dehnung mindestens 30 Sekunden lang halten.
- Dann das Bein langsam zurückführen und
- das andere Bein auf die gleiche Weise dehnen.
- Diese Übung insgesamt zehnmal machen.
Wichtiger Tipp
Dehnübungen bei Ischias grundsätzlich vorsichtig ausführen und dabei Erschütterungen oder Drehbewegungen vermeiden. Sollte eine Übung die Schmerzen verstärken oder neue Schmerzen verursachen, gilt: besser damit aufhören.
Alltagsaktivitäten durch Bewegungstherapie ergänzen?
Wer bei Ischias ärztliche Hilfe sucht, bekommt mitunter Bewegungsübungen ("Krankengymnastik") verordnet. Dabei leitet eine Physiotherapeutin oder ein Physiotherapeut die betroffene Person zu Übungen an, die sie auch zu Hause selbst durchführen kann. Die Behandlung kann beispielsweise Übungen zur Bewegungskontrolle, Muskelkräftigung und/oder Stabilisierung der Lendenwirbelsäule sowie eine Schulung zur gesunden Körperhaltung umfassen.
Ob eine solche Physiotherapie bei Ischias erfolgversprechender ist als die allgemeine Empfehlung, aktiv zu bleiben, ist jedoch unklar. Manche Fachleute raten dazu, eine Bewegungstherapie schon früh ergänzend zur üblichen Behandlung in Betracht zu ziehen. Andere wiederum halten dies erst bei länger als sechs bis acht Wochen anhaltenden Beschwerden für sinnvoll.
In jedem Fall ist es bei Ischias entscheidend, dass die Betroffenen aktiv sind und es auch dauerhaft bleiben – ob sie nun regelmäßige Spaziergänge zur Gewohnheit werden lassen oder Übungen machen. Doch genau hier liegt oft das Problem: Viele Menschen halten sich nur eine Zeit lang an die Empfehlungen.
Daher sollte immer auch Spaß als eine Art "Geheimtipp" bei Ischias berücksichtigt werden, um das Durchhaltevermögen der Betroffenen zu erhöhen. Helfen kann es etwa, physiotherapeutische Übungsprogramme nicht nur auf die Beschwerden abzustimmen, sondern ebenso auf persönliche Vorlieben. Oder sich mit netten Menschen für gemeinsame Aktivitäten zu verabreden und so gegenseitig zu motivieren.
Tipps zur Schmerzlinderung: So fällt Bewegung bei Ischias leichter
Plötzliche und heftige Ischiasschmerzen stellen die Betroffenen allerdings zunächst oft vor ein ganz anderes Problem: Wie es möglich sein soll, sich trotz der Schmerzen zu bewegen, ist ihnen ein Geheimnis. Den Tipp zu befolgen fällt deutlich leichter, wenn bei Ischias sofort schmerzlindernde Maßnahmen zum Einsatz kommen – zum Beispiel:
- Wärme- und/oder Kälteanwendungen
- Schmerzmittel wie Ibuprofen (nur kurzfristig und am besten nach ärztlicher Absprache einnehmen)
Auch Entspannungsübungen wie die progressive Muskelentspannung können helfen, besser mit Ischiasbeschwerden zurechtzukommen. Ausführlichere Tipps, wie sich Schmerzen bei Ischias sofort lindern lassen, finden Sie hier.
Wichtiger Hinweis
Wenn die Tipps zum Aktivsein und zur Schmerzlinderung nicht helfen und die Ischiasbeschwerden nach sechs bis zwölf Wochen immer noch stark sind, hilft es manchmal, verschiedene Therapieansätze zu kombinieren: zum Beispiel eine medizinische Behandlung mit einer physiotherapeutischen und psychologischen Betreuung. Womöglich kommt auch eine OP infrage.
Tipps zum Vorbeugen
Der Tipp, bei Ischias aktiv zu bleiben, zielt nicht bloß auf die Besserung akuter Beschwerden ab. Wer dank regelmäßiger Bewegung und ausreichend Sport körperlich fit ist, kann auch bei erneuten Ischiasbeschwerden mit einer schnelleren Genesung rechnen.
Sich viel zu bewegen hat zudem eine vorbeugende Wirkung. Körperliche Aktivität ist zwar kein Wundermittel, das Ischias sicher verhindern kann. Doch zumindest lässt sich das Risiko für Probleme im unteren Rücken dadurch deutlich senken.
Neben Dehnübungen und Ausdauertraining ist besonders Krafttraining geeignet, um Ischias vorzubeugen. Denn eine kräftige Bauch-, Gesäß- und Rückenmuskulatur (zusammengefasst als Rumpfmuskulatur bezeichnet) bildet die Voraussetzung für eine gute Körperhaltung. Diese wiederum stabilisiert und entlastet die Wirbelsäule, was Rückenproblemen entgegenwirkt.
Vor Beginn des Trainings ist es bei Ischias oder Rückenschmerzen ratsam, ärztliche Rücksprache zu halten. Vielleicht gibt die Ärztin oder der Arzt dabei passende Tipps zur Kräftigung der Rumpfmuskulatur. Überdies können Betroffene sich von einer physiotherapeutischen Fachkraft zeigen lassen, welche Übungen infrage kommen.
Neben ausreichend Bewegung empfehlen Fachleute vor allem ein rückenfreundliches Verhalten, um Ischias vorzubeugen. Das bedeutet zum Beispiel, vor allem bei längerem Sitzen (etwa bei Schreibtischarbeit) auf eine gute Sitzposition zu achten sowie schwere Gegenstände auf rückenschonende Weise zu heben und zu tragen.
Was viele womöglich nicht wissen: Ein Rauchstopp trägt ebenfalls zum Schutz vor Ischiasbeschwerden bei, da Rauchen das Risiko für Bandscheibenvorfälle und Ischias erhöhen kann. Dass es vorbeugend ratsam ist, Übergewicht abzubauen, dürfte hingegen kein Geheimtipp sein: Bei Ischias ist neben Bewegungsmangel, schwacher Rumpfmuskulatur und Fehlbelastungen auch Übergewicht ein häufiger Risikofaktor.
Fazit: Das Wichtigste in Kürze
Heute ist es kein Geheimtipp mehr, dass bei Ischias Bettruhe meist eher schadet als nützt und es stattdessen ratsam ist, weiterhin möglichst aktiv zu bleiben. Darum gilt: sobald es geht, die normalen Tätigkeiten wieder aufnehmen. Damit das leichter fällt, bieten sich kurzfristig schmerzlindernde Maßnahmen (wie Wärme oder Schmerzmittel) an. Zusätzlich regelmäßig Spaziergänge, Dehnübungen und Bewegungsübungen zu machen ist ebenfalls hilfreich – sowohl für die Genesung als auch vorbeugend. Ein Wundermittel gegen Ischias ist körperliche Aktivität jedoch nicht: Sie kann zwar (erneute) Ischiasbeschwerden deutlich unwahrscheinlicher werden lassen, aber nicht sicher verhindern.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- "Bandscheibenvorfall". Online-Informationen des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG): www.gesundheitsinformation.de (Stand: 19.4.2023)
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- Davis, D., et al.: "Sciatica". StatPearls, Treasure Island (FL), StatPearls Publishing (6.5.2022)
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- "Sciatica". Online-Informationen des National Health Service: www.nhs.uk (Stand: 8.9.2020)
- Ostelo, R. W.: "Physiotherapy management of sciatica". Journal of Physiotherapy, Vol. 66, Iss. 2, pp. 8 –88 (April 2020)
- "Lumbale Bandscheibenschäden mit Radikulopathie". Online-Informationen von Deximed: deximed.de (Stand: 23.4.2020)