Unglücklich mit der Schwangerschaft "Wenn ich in den Spiegel sehe, könnte ich...!"
Eine Schwangerschaft in vollen Zügen zu genießen, ist etwas Wunderbares. Doch was ist, wenn man mit seinen den Körperdimensionen nicht klarkommt, von Ängsten geplagt ist oder sich mehr krank als glückselig fühlt? Frauen, denen es so geht, brauchen dringend Unterstützung.
"Jedes Mal, wenn ich in den Spiegel sehe, dann könnte ich….! Und dabei muss ich mich doch sowieso schon dauernd übergeben", klagt die 32-jährige Micha, die ihr erstes Kind erwartet und mit den "anderen Umständen" überhaupt nicht klarkommt. "Ich weiß nicht, was daran so toll sein soll, dass man wie ein Walross aussieht, sich miserabel fühlt, nachts nicht mehr schlafen kann und von innen getreten wird", fragt sie sich und gibt kurz danach zu: "Ich wäre so gerne eine von diesen in sich ruhenden wunderschönen Schwangeren, denen ich dauernd irgendwo begegne. Genau so habe ich mir das gewünscht. Aber jetzt bin ich nur noch heilfroh, wenn das Kind da ist und ich meinen Körper wieder für mich habe."
Schwangerschaft als notwendiges Übel, um zum Kind zu kommen
Ganz so schlimm empfindet es Daniela nicht, aber auch sie ist schon bei ihrem heute Dreijährigen froh gewesen, als er endlich draußen war. Momentan ist sie mit seiner kleinen Schwester schwanger und empfindet den Zustand als noch unangenehmer. "Jetzt noch die paar Wochen durchhalten und dann hopp, hopp, zack, zack - raus damit!" Für sie ist eine Schwangerschaft nur ein notwendiges Übel, obwohl sie keine Beschwerden hat und blendend aussieht. "Ich finde, das ist wie der Grießbrei vor dem Schlaraffenland. Da muss man eben durch. Aber mögen muss man es nicht."
Verantwortungsvoll gegenüber dem Ungeborenen sein
"Man kann einer Frau nicht vorschreiben, wie sie ihre Schwangerschaft zu empfinden hat", sagt Roswitha Glimm. Ihr als Hebamme ist es aber wichtig, dass die Frauen sich verantwortungsvoll ihrem Ungeborenen gegenüber verhalten. "Welche Einstellung sie haben, spielt für mich keine Rolle. Ich akzeptiere ihre Gefühle. Mir tut’s ja nur Leid für die Frau, wenn sie ihre Schwangerschaft nicht genießen kann, wenn ihr dieser Zustand eher ein Graus ist. Wichtiger ist doch, dass sie anschließend eine gute und liebevolle Mama ist." Und nachdenklich fügt sie hinzu: "Es gibt nämlich auch das Gegenteil."
Die "perfekte" Schwangere gibt es nicht
Ob eine Frau eine Schwangerschaft genießen kann oder sie wie Daniela als notwendiges Übel betrachtet das ist auch typabhängig. Es hängt davon ab, welches Frauenbild man im Kopf hat. Denn auch, wenn sich immer mehr Models schwanger zeigen, wenn fraulichere Figuren langsam aber sicher wieder in Mode kommen - die Frauen, die jetzt schwanger werden, sind häufig geprägt von einem ganz anderen Bild. Und viele von ihnen kommen nicht klar mit den Erwartungen, die sie an sich gestellt fühlen.
"Ich merke genau, dass meinem Mann das Gejammer auf die Nerven geht. Er hat diese perfekten Schwangeren vor Augen", beschwert sich Micha. "Diese Frauen, denen außer einem schöneren Busen und einem runden Bäuchlein nichts von der Schwangerschaft anzumerken ist. Die sportlich bleiben und aussehen, als hätte man sie aus einem Werbespot geschnitten. Ich hingegen bin total unförmig und habe dauernd andere Zipperlein, die mir das Leben schwer machen." Micha hat das Gefühl, weder ihren eigenen noch den Erwartungen ihrer Umwelt gerecht zu werden. Sie hat Angst davor, dass sie, wenn sie schon jetzt nicht hinkriegt, was vermeintlich alle schaffen, es erst recht nicht schafft, wenn das Baby erst mal da ist. "Werde ich da auch versagen?", fragt sie sich verzweifelt.
Sorgen ersticken die Vorfreude im Keim
Wie Frauen auf ihre Schwangerschaft reagieren, hängt auch von Faktoren wie ihrer Biografie, ihren Erfahrungen, dem Umfeld, der eigenen Erziehung beziehungsweise Kindheit und der sozialen Zugehörigkeit ab. Kann eine Frau ihre Schwangerschaft nicht als normal betrachten, dann hat das oft, so Roswitha Glimm, auch etwas mit Unsicherheit, mangelndem Wissen über die Vorgänge im eigenen Körper und mit fehlendem Vertrauen in sich selbst und in die Natur zu tun. "Hinzu kommt die Vermedizinisierung eines natürlichen Zustands. Früher waren die Frauen einfach 'guter Hoffnung'. Man hat meist gar nicht viel über Schwierigkeiten nachgedacht."
Nicht jede Schwangerschaft ist Grund zur Freude
Aber natürlich gibt es Gründe, die bei jeder Frau dafür sorgen würden, dass man die Schwangerschaft nicht in vollen Zügen genießen kann. Sie eher eine Belastung ist. Wenn das Geld fehlt, wenn der Partner einen verlassen hat, wenn man das Kind ablehnt, weil es zum Beispiel durch eine Vergewaltigung in der Ehe gezeugt wurde oder natürlich auch, wenn man weiß, dass das Kind nicht gesund zur Welt kommen wird. "Als mein Frauenarzt beim Ultraschall plötzlich so seltsam still wurde, da wurde uns schon ganz anders", erinnert sich Alexandra. "Die Diagnose, dass unser Kind mit einer 'Hasenscharte' auf die Welt kommen würde und man noch nicht absehen könne, in welchem Maße, das hat uns umgehauen. Da fängst du sofort an zu googeln, siehst die schrecklichsten Bilder und hast von da ab vor lauter Angst keine genussvolle Minute in der Schwangerschaft mehr."
Manche Frauen brauchen besondere Betreuung
Alexandra hat sich auf Anraten ihrer Hebamme hin in psychologische Behandlung begeben. Auch Roswitha Glimm ist sich sicher, dass eine Schwangere in dieser Situation besondere Betreuung braucht. Denn im Kurs zu sitzen und lauter glückliche Paare um sich herum zu haben, während man selbst vor Sorge um das Kind und Zukunftsangst fast verrückt wird, ist eine schreckliche Situation. "Wenn eine Frau es wünscht, aus einem meiner Kurse auszusteigen, weil es für sie unerträglich ist, mit anderen, vermeintlich unkomplizierten Schwangeren zusammen zu sein, dann betreue ich sie auch gerne einzeln."
Manches Problem liegt tief
Ich bin schwanger und nicht krank! Diese gesunde Einstellung haben manche Frauen nicht. Sie empfinden ihre ganze Schwangerschaft als Qual und egal, wie viel Zuwendung und Verständnis man ihnen entgegenbringt, gegen sachliche Aufklärung beziehungsweise "Beweise" dafür, dass alles normal verläuft, sind sie regelrecht immun. "Ich sage mir dann, diese Frau hat ein Problem, das ich als Hebamme nicht lösen kann. Eines, das tief in ihr verborgen liegt. Es gibt aber auch Frauen, die glauben, durch Jammern mehr Anerkennung, Liebe und Aufmerksamkeit zu bekommen. Aber auch, dass sie das brauchen, hat sicher tiefergehende Gründe."
Versuchen, sich und dem Baby etwas Gutes zu tun
Kann eine Frau ihre "anderen Umstände" nicht genießen, dann paaren sich mit den negativen Gedanken auch oft noch Schuldgefühle und die Angst, das Ungeborene könnte darunter leiden. Hier kann das Umfeld greifen und der Schwangeren das Maß an Zuwendung und Verständnis geben, das sie braucht. Und ihr zum Beispiel etwas abnehmen, damit sie sich etwas Gutes tun kann. Ob es einer schwangeren Frau gutgeht oder nicht, das hängt sehr stark von ihrem sozialen Netzwerk ab, sagen Forscher der Universität Michigan. Neben Familie und Freunden kann manchmal aber auch ein Gespräch mit einem Mitarbeiter einer Beratungsstelle helfen, die eigenen Gefühle zu sortieren - und so wieder zu sich und damit auch zum Kind zu finden.
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.