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Angriffe auf Politiker: Die Rolle der AfD bei der zunehmenden Gewalt


Tagesanbruch
Eine unbequeme Wahrheit

  • Annika Leister
MeinungVon Annika Leister

Aktualisiert am 10.05.2024Lesedauer: 5 Min.
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AfD-Chefin Alice Weidel: Ihre Politiker sind oft im Angriffsmodus – werden aber auch zu Opfern. (Quelle: IMAGO/imago)

Guten Morgen, liebe Leserin, lieber Leser,

haben Sie auch das Gefühl, es geht gerade wieder alles viel zu schnell? Nach dem üblen Angriff auf den SPD-Politiker Matthias Ecke, der krankenhausreif geschlagen wurde, überschlagen sich Politik und Medien. Da gibt es Sondersitzungen in Ministerien, Demonstrationen und vor allem Hunderte Wortmeldungen in schärfstem Ton.

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Überkompensiert wird hier wie so oft, dass man zu lange ignoriert hat, wovor viele seit Langem warnen: Dass die Aggressionen im ganzen Land zunehmen und deshalb immer weniger Menschen bereit sind, sich politisch zu betätigen. Wer klebt sich schon selbst gern eine Zielscheibe für Bürgerfrust auf die Stirn?

Noch stärker als für die Landes- und Bundespolitik gilt das für Kommunalpolitiker, wo weder Ruhm noch ein auskömmliches Gehalt als Kompensationen winken. Für die Kommunalwahlen, die im Mai und Juni in neun Bundesländern anstehen, ist das ein ernsthaftes Problem.

Viele haben nun einen Schuldigen ausgemacht, der dafür allein verantwortlich sein soll: die AfD. Das aber springt zu kurz, die Lage ist doch etwas komplexer – und die Partei weiß das für sich zu nutzen.

Ohne Frage ist die AfD ein Frustkatalysator und Zerstörer gesellschaftlicher Normen. Was aus Moral und Anstand lange nicht geäußert wurde, versucht sie seit Jahren zu etablieren: Ihre Funktionäre hetzen und beleidigen, in den Parlamenten, noch sehr viel stärker in ihren Reden auf Parteitagen und Marktplätzen – und im Netz werden sie unterstützt von Troll-Armeen, die keine Grenzen kennen. Da werden Menschen herabgewürdigt, mit Tieren verglichen und auf das Widerlichste verhöhnt, da wird zum Widerstand gegen die Eliten und gegen eine vermeintliche Diktatur aufgerufen, da werden politische Gegner, Kritiker und Journalisten mit Mord und Vergewaltigung bedroht.

An der zunehmenden Enthemmtheit tragen die AfD und das von ihr geförderte Umfeld eine große Schuld, sie befeuern die Verrohung wie niemand sonst. Sie verstehen es meisterhaft, das Menschsein mit Blick auf andere in den Köpfen ihrer Anhänger auszuradieren und durch reine Feindbilder zu ersetzen.

Zur Wahrheit gehört aber auch: Auch AfDler werden angegriffen. Häufiger als andere Politiker wurden ihre Bundestagsabgeordneten 2023 Opfer von Gewaltdelikten, danach folgten Gewalttaten gegen Grünen-Politiker. Bei strafbewehrten Beleidigungen, Bedrohungen und Nötigungen sind hingegen mit weitem Abstand am häufigsten die Grünen betroffen. Und in diesem Jahr geht es so weiter: Von Beleidigungen seien die Grünen bisher bundesweit am stärksten betroffen, von Körperverletzungen die AfD, teilte der Chef des Bundeskriminalamtes laut ARD mit.

Das hat Folgen auch für AfD-Politiker: Die Parteichefs Alice Weidel und Tino Chrupalla zum Beispiel werden bei öffentlichen Terminen stets von Personenschützern begleitet. Und auf dem kurzen Weg vom Auto zu Hintergrundgesprächen mit Journalisten in Berlin zieht sich Weidel stiluntypisch schon mal eine Baseballkappe weit ins Gesicht.

Viele Politiker erwähnen die Bedrohung von AfD-Politikern zurzeit gar nicht, Kommentatoren in den Medien handeln sie oft mit einem Satz ab. "Selbst schuld" kann und darf aber nicht die Antwort von Demokraten sein. Feuer mit Feuer zu bekämpfen, führt zu einem gesellschaftlichen Flächenbrand. Und diese Zahlen nicht zu thematisieren, weil sie nicht in die eigene Argumentation passen, hilft vor allem der AfD.

Schon jetzt teilen AfD-Funktionäre die Statistik zu den tätlichen Angriffen, tragen sie über die sozialen Medien zu Leuten, die seriöse Medien gar nicht mehr konsumieren. Und verbreiten damit das von ihnen so geliebte Narrativ: Seht her, wir sind die wahren Opfer. Die anderen stehen uns nicht bei.

Dass das nicht stimmt, zeigte am Donnerstag nicht nur Landwirtschaftsminister Cem Özdemir. Der Grünen-Politiker teilte auf der Plattform X die Meldung, dass in Stuttgart zwei AfD-Politiker angegriffen wurden und schrieb: Gewalt und Angriffe hätten in einer Demokratie nichts verloren – völlig egal, gegen wen sie sich richteten. Und: "Gute Besserung den beiden Verletzten."

Özdemir wischte damit alle Feindbilder beiseite und wandte sich an die Menschen, die Betroffenen von Gewalt. Und ließ dabei außer Acht, dass die in Stuttgart attackierten Politiker in jener Partei sind, die sich besonders aggressiv gegen die Grünen richtet. Parteizugehörigkeit egal, es zählt der Mensch. Das gelang im Fall des schwer verletzten SPD-Politikers Ecke nicht jedem AfD-Politiker, der sich äußerte.

Özdemir folgte so einem Motiv, das Gewaltspiralen vermeidet und für das Michelle Obama, die ehemalige First Lady, im US-Wahlkampf eine wundervolle Umschreibung gefunden hat: "When they go low, we go high". Zu Deutsch etwa: Wenn die anderen ihre schlechteste Seite zeigen, zeigen wir unsere beste.


Was steht an?

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) beendet seine mehrtägige Nordamerika-Reise im kanadischen Ottawa. Er spricht dort mit seinem Amtskollegen Bill Blair. Am Donnerstag noch kündigte er in Washington an, dass Deutschland von den USA drei Himars-Raketenwerfersysteme kaufen wird, die an die Ukraine geliefert werden sollen.


Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) reist für zwei Tage nach Rom, wo er erst die italienische Regierungschefin Giorgia Meloni, dann den Papst treffen will. Der erste Termin wird äußerst skeptisch beobachtet, denn Meloni ist Vorsitzende der postfaschistischen Partei Fratelli d'Italia. Söder hatte seinen Parteikollegen Manfred Weber in der Vergangenheit für Treffen mit ihr öffentlich stark kritisiert.


Der Prozess gegen den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump geht weiter. Ihm wird vorgeworfen, der Pornodarstellerin Stephanie Clifford aka Stormy Daniels Schweigegeld gezahlt und anschließend Geschäftsunterlagen gefälscht zu haben. Einige hochintime Details sind über Trumps Sexleben bereits bekannt geworden – warum das Trump aber vermutlich nicht groß schaden wird, hat mein Kollege Bastian Brauns hier erklärt.

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Historisches Bild

Der Flugzeugbau brachte viele skurrile Exemplare hervor. Erfahren Sie hier mehr über diesen Senkrechtstarter.


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Russlands Streitkräfte erzielen Fortschritte an der Front – umso dringender braucht die Ukraine Unterstützung. Ben Hodges, früherer US-General, erklärt hier im Gespräch mit meinem Kollegen Marc von Lüpke, was der Westen im eigenen Interesse jetzt dringend leisten muss.


Ohrenschmaus

Sie hat gerade ein Konzert gegeben, das in seiner Größe kaum zu fassen ist: 1,6 Millionen Zuschauer jubelten Madonna in Brasilien zu. Zum Vergleich: Das sind alle Einwohner von Köln – und ganz Stuttgart oben drauf. Eindrücklich widerlegt die 65-Jährige damit Spekulationen, dass ihre beste Zeit vorbei ist. Dazu heute passend Madonnas Hit "Hung up", in dem das Hauptmotiv lautet: "Die Zeit vergeht so langsam".


Zum Schluss

Das war's mit Herrentag ...

Ich wünsche Ihnen einen schönen Freitag. Morgen schreibt Florian Harms wieder für Sie.

Herzlichst

Ihre Annika Leister
Politische Reporterin im Hauptstadtbüro von t-online
X: @AnnLei1

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Mit Material von dpa.

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