Zoff nach Europawahl Asselborn nennt EU-Gipfelergebnis "erbärmlich"
Der Luxemburger Außenminister Jean Asselborn hat das Ergebnis des Brüsseler EU-Gipfels als "ernüchternd bis erbärmlich" bezeichnet. Er unterstellt den Staats- und Regierungschefs einen viel zu laschen Umgang gegenüber dem europakritischen britischen Premierminister David Cameron. Dieser hatte sich gegen Europawahl-Sieger Jean-Claude Juncker als Chef des EU-Parlaments gestellt.
Es sei bekannt gewesen, dass Cameron nicht akzeptiere, dass der Ausgang der Europawahl ausschlaggebend für die Nominierung des Kommissionspräsidenten sei. Zudem sehe Cameron die Personalie Jean-Claude Juncker auch nicht als EU-Kommissionschef.
"Und der Rat ist ihm gestern fast 100-prozentig entgegengekommen", sagte Asselborn am Mittwoch im Deutschlandfunk. Die Staats- und Regierungschefs hätten dem EU-Ratspräsidenten Herman Van Rompuy ein Mandat gegeben, etwas zu suchen, was schon längst gefunden sei.
Rompuy soll jetzt vermitteln
Der Präsident des Europäischen Rats, Herman Van Rompuy, hat auf dem Gipfel den Auftrag erhalten, Konsultationen mit dem EU-Parlament über Personalien zu beginnen. Damit zeichnete sich keine schnelle Einigung zwischen EU-Parlament und EU-Staaten auf den früheren luxemburgischen Ministerpräsidenten Juncker für den Brüsseler Spitzenposten ab.
"Es wird auf Zeit gespielt, es wird auf Müdigkeit gespielt, mit dem Ziel, das zu erreichen, was eigentlich im Kopf von Cameron und einigen anderen ist", sagte Asselborn.
Kritik auch vom Premierminister
Zuvor hatte schon der liberale luxemburgische Premier Xavier Bettel die abwartende Haltung seiner Gipfelkollegen kritisiert: "Wenn man sich auf einen Spitzenkandidaten geeinigt hat, dann muss man das auch respektieren. Ich habe Schwierigkeiten, draußen zu erklären, dass man sich jetzt nicht einig ist über das Wer, Was und Wo."
Er fügte aber hinzu, es sei besser sich Zeit zu geben und dann das Resultat zu respektieren, als mit einer Abstimmung die Spaltung der 28 Mitgliedsländer zu riskieren."
Die Fraktionschefs des bisherigen EU-Parlaments und EU-Parlamentspräsident Martin Schulz hatten zuvor dem Rat erklärt, dass Juncker als Kandidat der größten Fraktion im Parlament als erstes versuchen solle, eine Mehrheit für sich zu organisieren. Cameron hatte seine Kollegen daraufhin aufgefordert, sich nicht vom EU-Parlament unter Druck setzen zu lassen und eigene Vorschläge zu erarbeiten.
Die Konservativen wurden bei den Europawahlen am Sonntag die stärkste Kraft mit 213 Sitzen im Parlament. Die Sozialdemokraten landeten auf Platz zwei (191 Sitze). Juncker als Wahlgewinner kommt nicht automatisch zum Zug. Nach den Gesprächen mit dem Parlament wird Van Rompuy den "Chefs" einen Personalvorschlag machen. Das Parlament muss dann dem Kandidaten mit absoluter Mehrheit zustimmen.
Da Rechtspopulisten und Euro-Skeptiker gestärkt aus der Europawahl gingen, wird eine große Koalition in der Brüsseler Machtzentrale wahrscheinlicher. "Wir wissen, dass keine Parteiengruppe alleine eine Mehrheit hat. Das heißt, es wird darum gehen, eine breite Mehrheit zu finden", so Kanzlerin Merkel.