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Nationale Sicherheitsstrategie: Dieser Ampel-Plan hat ein ganz anderes Ziel


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Neue Strategie der Bundesregierung
Dieser Plan hat ein ganz anderes Ziel

MeinungEine Kolumne von Christoph Schwennicke

Aktualisiert am 19.06.2023Lesedauer: 3 Min.
Berlin: Finanzminister Lindner, Kanzler Scholz, Außenministerin Baerbock, Innenministerin Faeser und Verteidigungsminister Pistorius auf dem Weg zu einer Pressekonferenz.Vergrößern des Bildes
Berlin: Finanzminister Lindner, Kanzler Scholz, Außenministerin Baerbock, Innenministerin Faeser und Verteidigungsminister Pistorius auf dem Weg zu einer Pressekonferenz. (Quelle: Michael Kappeler)

Die Nationale Sicherheitsstrategie der Bundesregierung wählt den großen Ansatz, der am Ende auch Kühe für sicherheitsrelevant erklärt. Klingt klug – dient aber dazu, den Kern der Sache für andere politische Ziele zu instrumentalisieren.

Das Thema hat in diesem Land eine solche Wucht, eine so hohe Sensibilität, dass es schon einmal einen deutschen Bundespräsidenten aus dem Amt gehebelt hat. Auf dem Rückflug aus Afghanistan sagte Ende Mai des Jahres 2010 Horst Köhler zu einem mitgereisten Reporter des Deutschlandfunks, im Notfall sei auch "militärischer Einsatz notwendig (...), um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege". Daraufhin fegte ein derartiger Tornado über das erst ein Jahr vorher im Amt bestätigte Staatsoberhaupt hinweg, dass Köhler am 31. Mai 2010 seinen Rücktritt erklärte.

Was war in der Sache passiert? Köhler hatte sinngemäß aus den Verteidigungspolitischen Richtlinien (VPR) der Bundesrepublik Deutschland zitiert. Nichts anderes gesagt als das, was dort stand. Die VPR waren der kleine Vorläufer der nun erstmals aufgestellten Nationalen Sicherheitspolitischen Strategie Deutschlands. Sie waren hinterlegt, natürlich öffentlich einsehbar. Aber dennoch irgendwie in einer Schublade weggeschlossen.

Aus offensichtlichen Gründen hat sich Deutschland immer schon schwer mit diesem Thema getan. Deshalb gab es "nur" die VPR und das sogenannte Weißbuch, deshalb gibt es bis heute keinen Generalstab, sondern einen Generalinspekteur, keinen Nationalen Sicherheitsrat, sondern den Bundessicherheitsrat – der sich aber nur mit Exportfragen von Rüstungsgütern befasst, nicht mit Nationaler Sicherheit als solcher.

Kolumnist Christoph Schwennicke
Kolumnist Christoph Schwennicke (Quelle: Antje Berghäuser)

Christoph Schwennicke ist Geschäftsführer der Verwertungsgesellschaft Corint Media. Er arbeitet seit mehr als 25 Jahren als politischer Journalist, unter anderem für die "Süddeutsche Zeitung" und den "Spiegel". Zuletzt war er Chefredakteur und Verleger des Politmagazins "Cicero".

Mit der Verdruckstheit soll Schluss sein – das ist erst mal eine gute Nachricht

Der verdruckste Umgang mit Nationaler Sicherheitspolitik und den damit verbundenen nationalen Interessen gehört zum Inventar der Bundesrepublik Deutschland seit ihrer Gründung. Dass nun mit dieser Verdruckstheit Schluss sein soll, die Ampelregierung die Nationale Sicherheit definiert und eine daraus abgeleitete Strategie vorlegt, ist im Prinzip erst einmal eine gute Nachricht. Hier wird eine klaffende Lücke geschlossen.

Formal jedenfalls. Aber wird sie das mit dem vorgelegten Dokument substanziell wirklich? Schon zu Beginn der Koalition haben sich die Grünen, hat sich namentlich Bundesaußenministerin Annalena Baerbock, die redaktionelle Hoheit über das Papier gesichert. Was herausgekommen ist, trägt eine unverkennbar grüne, entmilitarisierte Handschrift. Denn auch wenn sich unter den Grünen die vehementesten Waffenlieferer an die Ukraine befinden, tun sie sich mit interessengeleiteter Sicherheitspolitik weiterhin schwer. Wenn, sind es eher die Interessen aller anderen als die eigenen.

Sicherheitspolitik wird nun ganz weit gefasst

Der grüne Twist findet sich schon im Titel. "Wehrhaft. Resilient. Nachhaltig." Zwei Drittel dieses Slogans aus Modeworten könnten auch den ESG-Kongress (zu Deutsch: Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) eines Großunternehmens oder eine Psychologentagung überwölben. "Vegan" hätte noch Platz gehabt und sich gut gemacht in dieser Reihung.

Sicherheitspolitik ganz weit gefasst. Das soll dieser Titel verheißen. Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner sprach bei der gemeinsamen Vorstellung des Papiers denn auch von einem 360-Grad-Ansatz. Das hört sich erst mal gut an. Groß. Weitsichtig. Allumfassend. Man kann es aber auch ganz anders sehen: Dieser Ansatz ist absichtsvoll diffus, defokussiert statt fokussiert.

Damit die Sache nicht so militärisch und im Stechschritt daherkommt, haben rülpsende Kühe wegen des damit einhergehenden Methanausstoßes Einfluss auf die nationale Sicherheit Deutschlands und der Welt. Sicherheitspolitik muss dem Papier zufolge vor allem klimaneutral sein. Wie der berühmte Flügelschlag des Schmetterlings mit dem Orkan am andern Ende der Welt hat hier plötzlich alles, haben vor allem aber grüne Herzensangelegenheiten etwas mit nationaler Sicherheit zu tun.

Sicherheitspolitik und ihre Instrumente (Bundeswehr, Rüstung, Bündnispolitik) sowie eigene Interessen (gerade mal eine von 73 Seiten entfällt darauf) werden somit erfolgreich wattig verpackt in einen globalen Ansatz von einer besseren Welt. Insofern spiegelt sich der grüne Politikansatz eins zu eins in diesem Papier der Koalition wider. Dort, wo es konkret werden müsste, bleibt es vage; vager, als es die Zeitläufte erlauben: Etwa bei der Zwei-Prozent-Zusage an die Nato, die nicht jährlich festgeschrieben ist. Und auch der Nationale Sicherheitsrat, überfällig und im Zuge der Vorlage einer sicherheitspolitischen Doktrin folgerichtig, wird mit der großen grünen Tour d'Horizon umschifft.

Eine klaffende Lücke wird nun geschlossen

Nach der Ausrufung der feministischen Außenpolitik ist dies der zweite Pflock, den Annalena Baerbock in den Boden der Republik gerammt hat. Bei jener drängte sich schon die Frage auf, ob es jenseits von maskulinistischer und feministischer Ausrichtung nicht vorrangigere Unterscheidungen in der Geo-Politik gibt. Etwa die von real-rationaler versus emotional-empathischer. Ersterer ist da klar der Vorzug zu geben, was in Deutschland im Unterschied zu anderen Ländern keine Selbstverständlichkeit ist.

Ebenso selbstredend müsste eine Nationale Sicherheitsstrategie die damit verteidigten eigenen Interessen definieren und die Instrumente und Strategien hierfür beschreiben. So wie Horst Köhler das vor 13 Jahren getan hat. Genau das aber bleibt diese defokussierte Nationale Sicherheitsstrategie der Ampel schuldig.

Verwendete Quellen
  • Persönliche Meinung des Autors
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