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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Nicole Shanahan mischt den US-Wahlkampf auf Wem sie jetzt am ehesten gefährlich werden kann
Mit Nicole Shanahan hat Trump- und Biden-Herausforderer Robert Kennedy Junior eine mögliche Vizepräsidentin benannt. Wie gefährlich können sie den Etablierten werden?
Robert F. Kennedy Junior – oder kurz: RFK Jr. – meint es wohl ernst. Zumindest hat er in dieser Woche einen großen Schritt für seine Präsidentschaftskandidatur gemacht: Durch die Nominierung von Vizepräsidentschaftskandidatin Nicole Shanahan hat sich Kennedy eine ordentliche Finanzspritze gesichert – und die Möglichkeit, in so gut wie allen US-Bundesstaaten auf dem Wahlzettel zu stehen.
Im Interview mit t-online erklärt Politikwissenschaftler David Sirakov, wer Shanahan ist, was sich Kennedy von ihr verspricht – und wem das Team im Wahlkampf gefährlich werden kann.
t-online: Herr Sirakov, Nicole Shanahan wird Vizepräsidentschaftskandidatin von RFK Jr. In Deutschland ist die Frau recht unbekannt – ist das in den USA auch so?
David Sirakov: Nicole Shanahan arbeitet als Anwältin im Tech-Bereich, agiert als Investorin im Bio-Tech- und auch im Filmbereich. Außerdem war sie mit dem ehemaligen Google-Gründer Sergey Brin verheiratet. Außerhalb der Silicon-Valley-Szene ist sie aber auch in den USA eher unbekannt – erst recht im politischen Raum.
Shanahan hat Zugang zu Geld, soll sich auch finanziell an ihrer eigenen Kampagne beteiligen – aber was bringt sie politisch mit? Welche Schwächen Kennedys kann sie ausgleichen?
Dass sie Geld in die Kampagne mitbringt, ist für Kennedy sehr wichtig, da er in den vergangenen Wochen mit Engpässen in der Finanzierung zu kämpfen hatte. Da passte es auch gut, dass Shanahan der Kampagne von Kennedy bislang 4,5 Millionen US-Dollar spendete. So finanzierte er seinen Werbespot während des Super-Bowl-Spiels.
Die Aufgabe von Kandidatinnen und Kandidaten für das Vizepräsidentschaftsamt in Wahlkämpfen ist vornehmlich die Ansprache von Wählerinnen und Wählern, die durch den Präsidentschaftskandidaten kaum oder gar nicht erreicht werden können.
Shanahan ist jung, politische Außenseiterin und hat einen Migrationshintergrund – damit ist sie ideal für die junge, unentschlossene und insbesondere nicht-weiße Wählerschaft. Hier könnte sie durchaus die ein oder andere Stimme aus beiden Lagern, aus dem der Demokraten wie dem der Republikaner, zu Kennedy ziehen.
Zur Person
David Sirakov ist Politikwissenschaftler und Direktor der Atlantischen Akademie Rheinland-Pfalz, einer Bildungseinrichtung mit Fokus auf die transatlantischen Beziehungen. In seiner Forschung beschäftigt er sich mit der US-Innenpolitik, mit besonderem Schwerpunkt auf die politische und gesellschaftliche Polarisierung und dem Aufstieg des Populismus in Europa und den USA sowie der Außenpolitik der USA.
Ist ihre Unbekanntheit und politische Unerfahrenheit dabei eher Vorteil oder Nachteil?
Ein Problem sehe ich in ihrer Unerfahrenheit zunächst nicht. Das liegt daran, dass Robert F. Kennedy Jr.s Kandidatur ohne Aussicht auf Erfolg ist und damit die gesamte Kampagne ansonsten unter dem Radar läuft.
Sie macht, ähnlich wie Kennedy selbst, Ouvertüren an ihre demokratische Vergangenheit, spricht davon, dass Reichtum da sei, um Bedürftigen zu helfen. Sie forderte allerdings auch "desillusionierte" Demokraten wie Republikaner auf, Kennedys Kandidatur zu unterstützen. Wo wollen die beiden da fischen – oder gar in beiden Lagern?
Die Kampagne von Kennedy adressiert Wählerinnen und Wähler beider großer Parteien. Auf demokratischer und progressiver Seite ist es schon allein der Name, aber auch seine sozialstaatlichen Forderungen. Auf der republikanischen und rechten Seite sind es unter anderem seine Verschwörungstheorien hinsichtlich Impfungen, von Masern oder Polio über Tetanus bis hin zu Corona.
Wo steht das Team Kennedy-Shanahan inhaltlich?
Es ist letztlich eine Mischung aus Demokraten und Republikanern. In Fragen von Abtreibung unterstützt Kennedy beispielsweise die Selbstbestimmung der Frau. In Fragen des Klimawandels sieht er den Menschen zwar in der Verantwortung, bringt ihn aber nicht mit den extremen Wetterereignissen in Verbindung. Mit Blick auf Washington argumentiert er wie Trump, wenn er vom korrupten Washington spricht. Hinzu kommen die bereits angesprochenen Verschwörungstheorien, die vor allem auf das rechte Wählerspektrum zielen.
Sie sagen, Kennedy habe keine Aussicht auf Erfolg. Kann die Kandidatur dennoch einen Effekt haben?
Drittkandidaten haben in der Geschichte der USA ab und an eine besondere Rolle gespielt. So trat der texanische Milliardär Ross Perot 1992 an und machte damit dem damaligen Amtsinhaber George H.W. Bush das Leben schwer. Ob er schlussendlich entscheidend für die Niederlage Bushs war, ist umstritten. Geholfen hat es auf jeden Fall nicht. Das berühmteste Beispiel ist sicherlich Ralph Nader, der für die Grüne Partei im Wahljahr 2000 antrat. Seine über 97.000 Stimmen in Florida haben den damaligen Kandidaten der Demokraten Al Gore die Wahl gekostet.
Insofern ist beim Abschneiden von Drittkandidaten nicht relevant, wie viele Stimmen sie oder er insgesamt sammeln, sondern in welchen Staaten. Wenn es sogenannte Swing States sind, in denen die Ergebnisse ohnehin immer sehr knapp sind, können ein paar Tausend Stimmen letztlich den Ausschlag geben. Das ist eine Gefahr, die sowohl die Biden- wie auch die Trump-Kampagne genau beobachten werden.
Trump erklärte gestern, Kennedys Kandidatur sei ein "großer Dienst an Amerika", weil er Biden-Wähler abgreifen könne. Wer muss das Ticket Kennedy-Shanahan am ehesten fürchten?
Das ist gar nicht so einfach zu beantworten. Natürlich ist der Wiedererkennungswert von Kennedy in demokratischen Kreisen höher und einige der Politikinhalte klingen eher progressiv denn konservativ. Das würde für die Freude Trumps sprechen.
Allerdings zeigen Umfragen, dass Kennedy von Republikanern viel positiver gesehen wird als von Demokraten. Das ist auch nicht verwunderlich. Ganz allgemein haben seine Kritik an Biden und seine Bereitschaft, gegen ihn anzutreten, als auch seine rhetorischen Angriffe auf das politische, mediale und medizinische Establishment zumindest einige Überschneidungen mit der Weltanschauung der "Make America Great Again"-Gefolgschaft.
Herr Sirakov, vielen Dank für das Gespräch.
- Interview mit David Sirakov