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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Sexarbeiterin verrät Details "Das ist einer der Bonus-Momente"
Kristina Marlen ist seit über 10 Jahren als Sexarbeiterin tätig. Im Video entlarvt sie Mythen über Prostitution – und gibt pikante Einblicke in ihre Arbeit.
Der Beruf der Sexarbeiterin ist noch immer mit zahlreichen Vorurteilen behaftet. Oft wird angenommen, dass Sexarbeiter keine eigenständigen Entscheidungen bezüglich ihrer Arbeit treffen können. Die Tätigkeit wird häufig moralisch bewertet und mit negativen Assoziationen verbunden, ohne die individuellen Gründe für die Sexarbeit zu berücksichtigen.
Sexarbeiterin beantwortet Ihre Fragen
Kristina Marlen ist seit über 10 Jahren Sexarbeiterin und "Sex-Educator". Sie begleitet Menschen jeglichen Geschlechts und jeder sexuellen Orientierung auf dem Weg zu einer befreiten und erfüllten Sexualität. Das macht sie unter anderem als Domina und Bondage-Expertin. Außerdem fesselt sie Menschen professionell und ist als erotische Begleitung buchbar.
Vor der t-online-Kamera beantwortet Kristina Marlen Ihre Fragen rund um das Thema Sexarbeit, gibt Inside-Informationen und erklärt, mit welchen Vorurteilen endlich Schluss sein muss – oben im Video.
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Zu Weihnachten kaufte ich meiner Frau eine Gerte und sagte ihr, sie solle mal die strenge Lehrerin spielen.
Hi, ich bin Kristina Marleen. Ich bin Sex-Worker und Sex-Educator seit über zehn Jahren und mittlerweile auch Sex-Coach. Und ich beantworte heute Eure Fragen zum Thema "Ask a Sex-Worker".
Fühlen Sie sich als Prostituierte schlecht behandelt und ausgebeutet?
Ähm, nein. Ich fühle mich sehr gut. Es gibt sicherlich Arbeitsplätze, an denen ich nicht arbeiten möchte und wo es auf jeden Fall auch zu einer Verbesserung kommen müsste der Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen, die dort sind. Aber es ist nicht generell so, dass Sexarbeitende immer ausgebeutet, gedemütigt und misshandelt werden. Ich habe in meinem Leben sehr, sehr, sehr viel Respekt und auch Dankbarkeit erlebt von meinen Kundinnen und Kunden.
Gibt es beim Ausüben der Sexarbeit Momente, in denen Sie echte sexuelle Befriedigung oder gar Orgasmen erleben?
Ja, luckily yes. Das ist einer der Bonusmomente meines Arbeitslebens, dass es tatsächlich manchmal dazu kommt, dass auch meine Lust beantwortet wird. Das machen nicht alle Sexarbeiterinnen, muss ich dazu sagen. Also Dominas, die sehr distanziert sind, die lassen sich gar nicht berühren. Aber die sogenannten Bizarr-Ladies, die sagen schon mal: "Du kannst hier mal Hand anlegen und deine Künste mir bitte unter Beweis stellen." Auch das kann man natürlich dominant anleiten. Und wenn ich erotische Begleitung bin, freue ich mich natürlich auch, wenn ich mich nicht nur um die Lust des anderen kümmern "muss", sondern es ein gegenseitiges Spiel ist.
Zu Weihnachten kaufte ich meiner Frau eine Gerte und sagte ihr, sie solle mal die strenge Lehrerin spielen. Ich wollte etwas Fantasie ins Schlafzimmer bringen. Meine Frau meinte nur nüchtern, ich sei krank. Und die Gerte landete in der schwarzen Tonne. Bin ich nun krank oder haben Sie desöfteren Kunden mit ähnlichen Fantasien oder Vorstellungen?
Ja, mein Lieber. Das habe ich natürlich permanent. Das sind sozusagen ganz, ganz, ganz viele Menschen, die in ihren Partnerschaften oder Ehen nicht das leben können, was sie begehren. Also viele Menschen haben schon vielleicht von Kind an Fantasien, die mit Machtgefälle zu tun haben, mit BDSM, mit Schmerz, mit Ausgeliefertsein. Und manche entdecken das erst später und haben ganz, ganz viel Mühe damit, das zu ihren Partnern, ihren Partnern zu kommunizieren. Und diese Menschen landen natürlich ganz, ganz häufig bei Sex-Workern. Nein, du bist natürlich nicht krank. Du hast eine Vorliebe, die ganz fabelhaft ist und auch eine Einladung ist zum Spielen. Und meine Empfehlung wäre vielleicht, die Kommunikation über diese Vorliebe noch mal neu zu starten.
Was halten Sie von einem Verbot der Prostitution?
Ja, es gibt weltweit keine einzige Organisation von Sexarbeitenden, also selbstorganisierte politische NGOs von Sexarbeiterinnen, die für ein Sexkaufverbot wären. Ein Sexkaufverbot würde nur weiterhin zur Stigmatisierung und auch zur Gefährdung von Sexarbeitenden beitragen, weil wir natürlich heimlich arbeiten müssten. Sexarbeit würde natürlich weiter stattfinden. Im Moment ist Sexarbeit legal. Das heißt, ich habe den ganzen Rechtsstaat hier hinter mir. Wenn mir jemand blöd kommt, kann ich natürlich die Polizei holen. Wenn das Sexkaufverbot käme, würde ich das nicht tun. Und das ist natürlich ganz, ganz schlecht und prekär für alle Sexarbeit und insbesondere für die, die an schlechten Arbeitsplätzen sind, vielleicht sowieso schon an der Straße arbeiten oder mit wenig Privilegien ausgestattet sind.
Ich bin ein leidenschaftlicher Damenwäschenträger. Leider stieß dies bei meinen bisherigen Partnerschaften nicht unbedingt auf Gegenliebe oder Akzeptanz. Warum lehnen eine Mehrzahl der Frauen solche Männer mit dieser Leidenschaft ab? Nur in den Studios werden mir meine Fantasien erfüllt. Geht es denn nur so?
Ich kann bestätigen, dass Menschen, die gerne Damenunterwäsche tragen oder sich gerne mal auch mit ihrer femininen Seite zeigen, gern gesehene Gäste sind in Domina-Studios, auch ich habe ganz, ganz viele davon. Mein Herz berührt das sehr. Ich finde ja sowieso, Geschlecht ist ein Spektrum und wir haben alle Seiten in uns, maskuline, feminine und die dürfen sich auch zeigen. Und wir leben in einer heteronormativen Welt, die immer noch gerne hat: Wie verhält sie eine richtige Frau und wie ist ein richtiger Mann und wie maskulin muss er sein? Und für viele Frauen bestätigt das auch das weibliche Selbstverständnis, wenn sie einen richtigen Mann vor sich haben und sind dann irritiert und können nicht mit der Genderfluidität ihrer Partnerin umgehen.
Wie viel verdient man als Sexarbeiterin?
Das Spektrum ist so breit wie ich würde sagen vielleicht bei Journalisten oder Sportlern. Also ich selber arbeite in einem recht hochpreisigen Segment, Also eine Session von anderthalb Stunden bei mir beginnt bei etwa 500 Euro. Da sind Menschen aber mindestens zwei Stunden bei mir. Es gibt aber sicherlich auch Segmente, wo es schon die Dienstleistung, die einzelnen bei 30 bis 50 Euro losgehen. Und das hat natürlich mit ganz, ganz vielen Aspekten zu tun, die auch sonst unser gesellschaftliches oder Arbeitsleben durchziehen. Also Achsen der Diskriminierung. Herkunft, Sprache, Bildung, Klasse, Race. Also all diese Sachen spielen natürlich eine Rolle, warum Menschen an Arbeitsplätzen sind, wo sie sehr, sehr gut bezahlt werden und welchen, wo sie nicht so gut bezahlt werden. Und mir ist relativ klar, dass ich in einem sehr privilegierten Segment arbeite.
"Frag mich" ist ein Videoformat von t-online. Wir ermöglichen es unseren Nutzern, Fragen an verschiedene Menschen zu richten, seien es berühmte Personen oder Protagonisten des alltäglichen Umfelds. Bei "Frag mich" können unsere Leserinnen und Leser diese Personen mit ihren Fragen konfrontieren. Für Vorschläge zu interessanten Interviewpartnern sind wir immer dankbar: lesermeinung@stroeer.de.
- Interview mit Kristina Marlen