Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Gesund und gefährlich Superfood mit Schattenseite
Längst werden Pilze nicht nur im Herbst gerne gegessen. Der König unter ihnen liefert viele gesunde Nährstoffe, birgt aber auch Gefahren, wie Dr. Yael Adler verrät.
Jeden Herbst dasselbe: Man muss früh aufstehen, rechtzeitig vor Ort sein und die besten Stellen kennen. Nur so hat man Chancen, etwas abzubekommen – vom "Fleisch des Waldes". Gemeint sind hiermit allerdings nicht Reh oder Wildsau, sondern Pilze. Speisepilze genauer gesagt, ungiftig und essbar. Sie liefern – saisonal und vor allem regional – Stärkung für unseren Organismus, Vitamine und Nährstoffe, mit denen wir unerschrocken in den Winter gehen können.
Zur Person
Dr. med. Yael Adler ist Fachärztin für Dermatologie, Venerologie, Phlebologie und Ernährungsmedizin (DGEM). Seit 2007 praktiziert sie in ihrer eigenen Praxis in Berlin. Ihr Talent, komplexe medizinische Sachverhalte anschaulich und unterhaltsam zu vermitteln, stellt sie seit Jahren in Vorträgen, Veranstaltungsmoderationen und den Medien unter Beweis. Über Prävention und Therapien spricht sie regelmäßig in ihrem Podcast "Ist das noch gesund?". Ihre Bücher "Haut nah" und "Darüber spricht man nicht" standen auf Platz 1 der Spiegel-Bestsellerliste. Mit ihrem letzten Buch "Genial vital! – Wer seinen Körper kennt, bleibt länger jung" durfte sich die leidenschaftliche Ärztin erneut über diese Spitzenplatzierung freuen.
Inzwischen sind wir nicht mehr so abhängig von den Jahreszeiten, manche Sorten sind sogar übers ganze Jahr im Supermarkt vorrätig. Also auch jetzt am Frühlingsanfang. Die Pilze enthalten Vitamin D und Eiweiß (zwischen 3 und 6 Gramm je 100 Gramm Pilz). Proteine liefern Baustoffe für Enzyme, Hormone und Antikörper, die unser Immunsystem stärken, außerdem halten sie unser Muskelgewebe auf Trab. Auch die Ballaststoffbilanz unterm Pilzhut kann sich sehen lassen: So wirken Beta-Glucane cholesterinsenkend, zudem mäßigen sie unseren Blutzucker.
Pilze enthalten in ihren Zellwänden zudem das Polysaccharid Chitin, das weder in Wasser noch durch leichte Säuren löslich ist und die Darmflora verbessert.
Beliebt und gesund
Zu den gesündesten und beliebtesten Speisepilzen gehören nach wie vor Champignons, weil sie neben den begehrten Vitaminen auch noch Mineralien wie Selen, Eisen, Kupfer und Kalium liefern. Kalium stärkt die Hirn-, Herz- und Muskelfunktion, hilft bei der Regelung unseres Flüssigkeitshaushaltes und stärkt die Knochen. Selen ist gut für unser Haar, für die Entgiftungsenzyme, schützt unsere Zellmembranen, stärkt den Stoffwechsel der Schilddrüse und mischt auch bei der Spermienproduktion mit. Ganz oben in der Hitliste der gesunden Pilze stehen Reishi-Pilze, deren Wert seit Ewigkeiten in der traditionellen chinesischen Medizin geschätzt wird. Auch Maitake-Pilze mit ihren Antioxidantien verbessern unser Immunsystem. Von beiden Vertretern gibt es mittlerweile auch Pulver und Kapseln.
Der asiatische König unter den Pilzen
Ein absoluter Star in dieser Hinsicht ist schon seit Jahrzehnten der "König der Speisepilze", der Shiitake-Pilz. Dieser Schwammpilz gedeiht ursprünglich in den Wäldern Chinas und Japans, ist in Asien seit jeher "Wok en vogue" und wird – gern kombiniert mit Gemüse – als Delikatesse gehandelt. Sogar als Gastgeschenk ist er dort beliebt.
Die Rinde des "Shii", einer Scheinkastanie, auch "Pasaniabaum" genannt, ist die eigentliche Brutstätte des Pilzes („Take“). Der Shiitake-Pilz enthält Adenosin, das die Gefäße weitet und die Durchblutung unseres Herzens verbessern kann. Andere Inhaltsstoffe können die Ausschüttung des Gewebshormons Histamin im Körper reduzieren. Wenn Allergene in den Körper eindringen, fördert Histamin Juckreiz, Bauchweh, Durchfall, Heuschnupfen oder Asthma. Außerdem liefert der Shiitake B-Vitamine und Magnesium und wird zur Vorbeugung von Krebs, Arteriosklerose, Osteoporose oder Leberproblemen empfohlen, ebenso bei Arthritis oder Osteoporose.
Jeder Genuss hat auch seine Risiken
Weil die Fangemeinde des herzhaft würzigen und durchaus fleischig schmeckenden Allrounders auch international immer weiter gewachsen ist, werden Shiitake-Pilze seit Langem in Zuchtbetrieben produziert. Ihr Geschmack, der mit "umami" umschrieben wird, ist mittlerweile zwischen süß, sauer, salzig und bitter als fünfte Geschmacksrichtung akzeptiert und wird durch das enthaltene Glutamat hervorgerufen.
Und natürlich gibt es längst Literatur mit Anleitungen zum persönlichen Anbau, kombiniert mit Shiitake-Rezepten. Auch Shiitake-Schokolade wurde schon gesichtet.
Ganz ohne Risiken und Nebenwirkungen ist er allerdings auch nicht. Schon vor beinahe zwanzig Jahren hat das Bundesinstitut für Risikobewertung, ein staatliches Gremium für die forschungsgestützte, wissenschaftliche Beratung zum gesundheitlichen Verbraucherschutz, darauf hingewiesen. Durch (leider recht wenige) wissenschaftliche Veröffentlichungen von Ärzten und Pilzsachverständigen wurde auf die Möglichkeit hingewiesen, durch den Verzehr von Shiitake-Pilzen an der sogenannten Shiitake-Dermatitis zu erkranken.
Dermatitis durch Shiitake-Pilze
Die Dermatitis im Allgemeinen ist eine entzündliche Hautreaktion, die mit Vorliebe an der Dermis (Lederhaut) erblüht. Werden Shiitake-Pilze nicht ausreichend gegart verzehrt, können einzelne Bestandteile, vermutlich das Polysaccharid Lentinan, zu einer Unverträglichkeitsreaktion führen. Das durch zu wenig Erhitzung unzerstörte Kohlenhydrat-Molekül verteilt sich nach Aufnahme in den Darm über die Blutbahn in der Haut und löst dort eine toxische Reaktion aus, die an eine Allergie erinnert und rund 10 Tage anhält.
Im konkreten Fall ist es eine massiv juckende Haut, die einen unwiderstehlichen Kratzimpuls hervorruft, mit der Folge von streifenförmigen Hautreizungen überall da, wo die kratzenden Finger heranreichen. Sie erinnern auch an die Peitschenhiebe der sich selbst geißelnden Büßer im Mittelalter und haben deshalb den Beinamen Flagellanten-Dermatitis erhalten. Diese erhabenen und hügeligen Rötungen der Haut werden vorwiegend an Armen, Beinen, am Rumpf und im Nackenbereich, leichter auch im Gesicht beobachtet. Sie treten ungefähr 24 bis 28 Stunden nach dem Genuss der Pilze auf. Sonnenlicht kann die Symptomatik möglicherweise verschärfen.
Die Erkrankung wurde zuerst nur in Asien diagnostiziert, inzwischen sind aber auch Fallberichte aus westlichen Ländern bekannt.
Medikamente gegen Pilz-Hautreizungen
Leider können die Hautreizungen seltener auch dann auftreten, wenn die Pilze vor dem Essen wirklich ausreichend durchgegart werden. Therapeutisch wird deshalb mit Medikamenten gearbeitet, die im gesamten Körper die Wirkung von Histamin reduzieren können. Außerdem kommen Glukokortikoide (Kortison) als Creme oder innerlich als Tabletten zum Einsatz.
Ärztlicherseits wird Betroffenen geraten, den Shiitake-Pilz besser vom persönlichen Speisezettel zu streichen.
Sollten Sie aber zur übergroßen Mehrzahl der Nichtbetroffenen zählen, lassen Sie ihn sich weiterhin schmecken und kommen Sie gesund durch die Zeit!
- Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
- Eigene Meinung