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HomeGesundheitKolumne - Ulrike Scheuermann

Everbodys Darling: Sie sollten auch mal anecken – und so zum Vorbild werden


Neues Verhalten antrainieren
Warum Sie nicht alle lieben müssen

Eine Kolumne von Ulrike Scheuermann

Aktualisiert am 20.09.2021Lesedauer: 4 Min.
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Meinung vertreten: Auch wenn es unbequemer ist, die meisten Menschen haben vor einer Person mit klaren Grenzen mehr Respekt.Vergrößern des Bildes
Meinung vertreten: Auch wenn es unbequemer ist, die meisten Menschen haben vor einer Person mit klaren Grenzen mehr Respekt. (Quelle: fizkes/getty-images-bilder)

Nicht anecken und bloß keinen verärgern: Viele Menschen möchten es allen recht machen. Doch das kann nach hinten losgehen. Wie Sie endlich Kontur zeigen – und zum Vorbild werden.

Wenn jemand sich immer anpasst, geht das auf die Kosten der eigenen Kräfte, und man verliert den Respekt der anderen. Oft genug erreicht man dann genau das Gegenteil von dem, was man sich eigentlich gewünscht hat: Man bringt andere Menschen gegen sich auf oder sie verlieren das Interesse.

Was Sie dagegen gewinnen, wenn Sie Ihre eigene Linie verfolgen

Ein Klient von mir hat seit Jahren die Strategie verfolgt, es im Job und im Privatleben allen möglichst recht zu machen. Im Lauf der Jahre ließen seine Kräfte nach, denn er überforderte sich selbst, indem er sich in vielen Lebensbereichen an die Bedürfnisse anderer anpasste, um mit allen gut auszukommen und niemanden zu enttäuschen.

Er übernahm so viele Aufgaben und leistete ständig Hilfe, dass er keine Zeit mehr für sich hatte. Sein Ton gegenüber anderen wurde dann mit der Zeit immer vorwurfsvoller, weil er gestresst und erschöpft war. Als dann auch noch eine Kollegin befördert wurde, die viel weniger auf Wünsche anderer einging und öfter mal mit ihren Vorgesetzten konflikthaft aneinander geriet, bedeutete das einen Wendepunkt für meinen Klienten.

Wütend und verbittert fühlte er sich ungerecht behandelt und erkannte zum Glück nach einiger Zeit seinen eigenen Anteil. Er begann, seine starke Orientierung an anderen infrage zu stellen und stellte sich die Fragen, die ihn im Lauf der weiteren Entwicklung begleiteten: Wie finde ich das? Will ich das wirklich?

Was das Everybodys-Darling-Syndrom mit uns und anderen macht

Wenn uns der eigene Kompass fehlt, weil wir die Ansprüche anderer über unsere eigenen stellen und mit dieser Grundhaltung versuchen, unseren Alltag zu meistern, so kommt es zu einer Überforderung.

In Diskussionen und Meetings Verständnis für alle Seiten haben und hinterher von den verschiedenen Parteien für die Unklarheit kritisiert werden; immer zu lange bei der Arbeit bleiben, um alles zu erledigen, was die Vorgesetzten erwarten, dann rasch einkaufen und nach Hause rasen, um das Kind vor dem Zubettgehen noch zu sehen, danach E-Mails und Telefonate abarbeiten.

Ab und zu ist das normal, auf Dauer ist es zu anstrengend. Die Folgen sind häufig Erschöpfung, Burnout und Traurigkeit, oder auch Verbitterung und möglicherweise eine Vorwurfshaltung gegenüber anderen, die sich weniger aufreiben als man selbst.

Wenn andere erfahren, dass jemand nahezu grenzenlos auf alle Wünsche, Anfragen, Bitten und Forderungen eingeht oder keine klare Meinung bei kontroversen Themen entwickeln kann, so wirkt das konturlos.

Eigene Meinung vertreten wirkt stärker

Auch wenn es unbequemer ist, so haben doch die meisten Menschen vor einer Person mit Ecken und Kanten und klaren Grenzen mehr Respekt. Wer eine eigene Meinung hat, wer nein sagt oder auch konfrontiert, wirkt stärker und man überlegt sich, ob man ihm oder ihr noch mehr Wünsche anträgt oder lieber auch mal jemand anderes fragt. Das gilt für alle Lebensbereiche, im Job, im Privatleben, bei der Kindererziehung.

Wer auf diese Weise Kontur zeigt, ist auch für andere ein Vorbild, zum Beispiel für Mitarbeitende, die eigenen Kinder oder letztlich alle, denen es ähnlich schwerfällt, zu sich zu stehen.

Doch wie bekommt man das am besten hin? Am Anfang einer Veränderung steht, dass man sich bewusst macht, was der eigene Anteil ist.

Wie es dazu kommt und wie wir es anders machen können

Wir müssen also zuerst einmal herausfinden, warum wir es anderen Recht machen wollen. Meist steht dahinter eine Angst oder ein Zurückscheuen davor, sich auf Konflikte einzulassen. Dahinter wiederum steht meist die Angst, dass andere Menschen ärgerlich oder gar wütend auf uns werden könnten.

Auch möchte man andere Menschen nicht enttäuschen, man möchte ihnen eigentlich nur Gutes tun, wie zum Beispiel den eigenen Kindern oder anderen nahestehenden Menschen. Doch leider können wir andere nicht vor Enttäuschungen bewahren.

Fragen Sie sich:

  • Warum ist es mir so wichtig, von allen gemocht zu werden?
  • Wie fühle ich mich, wenn andere enttäuscht von mir sind oder sich über mich ärgern?
  • Warum stelle ich die Wünsche und Erwartungen anderer über meine eigenen?

Ursachen liegen häufig in der Kindheit

Als nächstes können Sie verstehen, warum Sie emotional so reagieren. Die Ursachen liegen häufig in der eigenen Biografie. Viele Kinder haben zum Beispiel erlebt, dass ihre Eltern oder andere Bezugspersonen ein eigenwilliges Kind und nicht angepasstes Verhalten sanktionieren und bestrafen.

Wenn wir solche Zusammenhänge verstehen, können wir uns leichter bewusst anders einstellen. Wir können sagen: "Früher musste ich mich anpassen, um mit meiner Familie gut auszukommen. Heute kann ich bewusst entscheiden und nehme möglichen Ärger in Kauf."

Eine Frage ist entscheidend

Die darauffolgende Frage weist in die Zukunft und sie ist entscheidend, um sich selbst zu einem neuen Verhalten zu motivieren:

  • Wie wäre mein Leben, wenn ich meine eigene Intuition als Kompass an erste Stelle für Entscheidungen setzen würde?

Malen Sie sich diese Vorstellung mit mehreren Sinnen in einer besonders attraktiven Form aus, denn insbesondere dann wirkt eine solche Zukunftsvision attraktiv und motivierend: Wie sieht mein Leben dann aus? Wie verhalte ich mich? Wie reagieren andere auf mich? Was sagen sie? Wie höre ich ihre Stimmen? Wie fühlt es sich körperlich an, wenn ich aufrecht und klar dastehe und meine Meinung vertrete?

Mit mehr Selbstbewusstsein durch den Alltag

Nun bleibt noch, im Alltag zu beobachten, was durch die Veränderungen anders, besser oder auch herausfordernder wird. Was können Sie dadurch lernen? Wovon wollen Sie mehr? Wie können Sie Ihren eigenen Standpunkt mit der Zeit immer klarer vertreten?

Heute achtet der Klient von mir bewusst darauf, sich erst selbst zu fragen, ob ihm das entspricht, was andere von ihm wollen, oder ob er Wünsche und Anfragen ausschlägt. Schon allein das hilft ihm, wieder ein Gefühl für den eigenen Wert und die eigenen Entscheidungsmöglichkeiten zu entwickeln. "Ich habe es in der Hand" ist zu seinem Leitspruch geworden. Das macht ihn selbstbewusster und innerlich stärker.

Ulrike Scheuermann ist Diplom-Psychologin und Bestsellerautorin. Seit 25 Jahren hilft sie Menschen dabei, ihr Leben mit modernsten Methoden der Psychologie innerlich frei und ohne Blockaden besser und gesünder zu gestalten. Ihre Self-Care- und Coaching-Programme finden in ihrer Akademie in Berlin und online statt.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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