Deutschland muss sparen Bundesliga oder Bildung?
Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Die Bundestagsdebatte um den Haushalt 2024 zeigt: Jetzt kommen magere Zeiten. Sogar beim Bundeskriminalamt und bei der Polizei wird der Rotstift angesetzt. Muss das sein? Unser Kolumnist hätte da mal einen Vorschlag.
Was die Zeitenwende des Kanzlers konkret – im Fußball würde man sagen "auf'm Platz" – bedeutet, lässt sich am Wetterleuchten um den Bundeshaushalt des kommenden Jahres ablesen. Die Zeiten des Überflusses, die Zeiten der milliardenschweren Sondervermögen sind vorbei. Jetzt wird gespart, bis es knirscht und unter jeden Stein geschaut, ob da nicht auch noch ein Bündel Geldscheine liegt, das man in die Sparschatulle stecken kann.
Was war nicht schon los, als durchsickerte, dass bei der Bundeszentrale für Politische Bildung Gelder gekürzt werden sollen in einer Größenordnung von 20 Millionen Euro, was etwa einem Viertel des bisherigen Etats entspricht. Dabei gehörte das für meinen Geschmack noch in die Abteilung: wunderbar, wenn man sich die kostenlosen Wohltaten dieser Bildungseinrichtung leisten kann, schade, aber verkraftbar, wenn es nicht mehr in gleichem Maße wie bisher möglich ist. Dass die zehn (oder waren es zwölf? Oder sieben?) gratis zu beziehenden Bücher und Publikationen jährlich tatsächlich von der für Demokratieverdruss, Politikmüdigkeit und Populismus anfälligen Klientel als bewusstseinserweiternde Substanzen bestellt werden, an dieser Grundannahme sind Zweifel jedenfalls erlaubt. Man muss das wollen. Und die Bestellung dort aktiv aufgeben.
Nun aber berichtet der Kollege Johannes Bebermeier über ganz konkrete Sparvorhaben, die nicht das Privileg kostenfreier politischer Weiterbildung, sondern einen existenziellen Kernbereich des Staates betreffen: die innere Sicherheit. Noch konkreter: die Ausstattung der Kriminalbeamten und der Polizei.
Die Patronen könnten knapp werden
Beim Bundeskriminalamt könnte die Munition bald knapp werden, in internen Dokumenten warnt die Behörde vor "erheblichen Risiken", wenn das Geld für die Ausstattung der Beamten immer weniger wird. Die Behörde rechnet vor: Im Vergleich zu 2018 blieben pro Kopf noch halb so viele Mittel zur Verfügung.
Als politisch einigermaßen interessierter Bürger ist in letzter Zeit nicht allzu viel Wehklage aus den Reihen der Polizisten vernommen worden, sie wüssten nicht, wohin mit ihrer vielen ereignislosen Zeit und dem Material, mit dem sie zugeschüttet werden. Vielmehr wiesen ihre Gewerkschaft und ihre Funktionäre immer wieder (glaubhaft) darauf hin, dass sich mehr Aufgaben auf den Rücken der Beamten türmen, die oft über die Belastungsgrenzen hinaus strapaziert werden. Und die dahinter stehende Staatskasse auch.
Deshalb ist jetzt ein guter Moment, bei einem regelmäßigen Einsatzgebiet über eine neue, staatsferne Kostenstelle nachzudenken, bei der die dabei anfallenden Kosten eingereicht und dort auch beglichen werden.
Ich rede vom Fußball.
Natürlich ist mir die Dimension und Delikatesse des Themas bewusst. Für viele in diesem Land gehört der Bundesliga-Fußball und das Spektakel darum jedes Wochenende zur persönlichen Grundversorgung. Aber zur staatlichen Grundversorgung wie Wasser, Strom und Kanalisation gehört er nicht. Und ein Grundrecht oder Menschenrecht auf Fußball gibt es auch nicht.
Bundesligavereine sind privatwirtschaftliche Großunternehmen
Gemeinnützig ist die Veranstaltung Fußball ebenfalls nicht. Vielmehr ist der kommerzielle Fußball mehr denn je eine riesengroße privatwirtschaftliche Veranstaltung von Großunternehmen, oft börsennotiert, zu denen die Bundesligavereine längst geworden sind. Oder immer schon waren. Und wer sagt eigentlich, wo steht geschrieben, dass diese privatwirtschaftlichen Unternehmen wie Bayern München oder der BVB ihre Einnahmen individualisieren, sprich: einstreichen? Substanzielle Nebenkosten wie die massiven Polizeiaufgebote vor den Stadien aber kollektivieren, also auf den Staat abwälzen?
Ernstzunehmende Schätzungen der Polizeigewerkschaft gehen davon aus, dass in den Bundesländern zusammengenommen jährlich etwa 100 Millionen Euro an Kosten für Polizeieinsätze im Zusammenhang mit Fußballspielen entstehen. Diese lassen die Vereine kalt lächelnd beim Staat auflaufen. Mehr noch: Manche Manager wie der forsche BVB-Boss Hans-Joachim Watzke beklagen sich gelegentlich obendrein über mangelnde materielle und infrastrukturelle Unterstützung der Kommunen für die ortsansässigen Top-Klubs.
Wieso werden diese Kosten nicht an die Vereine weitergereicht? Schließlich verdienen die Vereine sehr ordentlich an der rollenden Kugel und haben offenbar so viel Geld im Schrank liegen, dass alleine die Ablösesummen sich in Einzelfällen – wie zuletzt beispielsweise bei Harry Kane – zu dreistelligen Millionensummen aufschwingen. Niemand würde auf die Idee kommen, dass Siemens oder die BASF die Kosten für ihren Werkschutz und die privaten Sicherheitsdienste vor den Pforten auf den Staat abwälzen dürfen.
Ein Stadion ist nichts anderes als das Werksgelände eines Fußballvereins. Wieso ist es dort also seit jeher Gewohnheitsrecht, dass der Staat diese Sicherheitsdienstleistung "Gewährleistung des störungsfreien Betriebsablaufs" kostenfrei – besser gesagt: auf Kosten der Allgemeinheit – erbringt? Dafür gibt es überhaupt keinen Grund. Schon gar nicht in Zeiten, in denen der Staat auf jeden Euro zweimal schauen muss, den er ausgibt.
Bitte jetzt keine ordnungspolitischen Haarspaltereien
Komme jetzt bitte niemand mit dem klugen ordnungspolitischen Hinweis, dass die Polizeikonvois, die jeden Samstag über die A9 von Bamberg nach München rollen und am Abend wieder zurück, schließlich zur Landespolizei gehören und daher nicht im Bundeshaushalt zu Buche schlagen. Zwischen Landespolizeien und der Bundespolizei gibt es natürlich eine Osmose.
Was bei den Landespolizeien an Kosten eingespart wird oder was die Nutznießer der Einsätze übernehmen, erspart das Aufstocken mit Bundespolizei bei Einsätzen, bei denen die Landespolizeien ohne diese Unterstützung aus dem letzten Loch pfeifen. Und über den Bund-Länder-Finanzausgleich ist das am Ende auch wieder ein großer Topf, dem diese Entlastung von 100 Millionen Euro zugutekäme.
Fünfmal so viel wie durch die Kürzung der Mittel bei der Bundeszentrale für Politische Bildung.